Mit offenem Mund und bewundernd steht der Besucher vor dem Jüngsten Gericht Michelangelos und vor den Fresken über die Schöpfungserzählung (Gen 1-6). Die Sixtinische Kapelle ist der Raum in dem die neuen Päpste gewählt werden und das Konklave stattfindet. Während des Konklave wird die große schwere Holztür am gegenüberliegenden Ende zur Darstellung des Jüngsten Gerichts geschlossen - daher auch der Name: con - clave = mit dem Schlüssel. Mit dem Schlüssel wird diese Tür dann von außen abgeschlossen und erst wieder aufgemacht, wenn ein neuer Papst gewählt ist. Wenn man diese große Holztür im Rücken hat, befindet sich links ein kleiner Raum und in diesem wird der Kamin aufgestellt, aus dem dann der schwarze oder auch der weiße Rauch nach oben geleitet wird und für alle Gläubigen und Wartenden auf dem Petersplatz durch einen kleinen Oberkamin, der extra auf der Kapelle angebracht wird, sichtbar wird. Michelangelo hat in nur 4 Jahren von 1508 und 1512 das Deckengewölbe mit Fresken aus der Schöpfungserzählung ausgestattet. Das Erstaunliche an dieser Arbeit und auch am Jüngsten Gericht ist die, dass Michelangelo eigentlich kein Freskenmaler war, sondern Skulpteur.
Die Erschaffung des Menschen ist wohl das berühmteste Bild auf der ganzen Welt. Gottes ausgestreckte Hand berührt fast unbemerkbar die ausgestreckte Hand des Menschen. Michelangelo beginnt allerdings bei den ersten Schöpfungstagen seinen Zyklus. Er startet bei der Erschaffung der Welt und endet bei der Arche Noah. Gott wird immer in einer sehr dynamischen Bewegung und sehr real dargestellt. Dies kommt sicherlich daher, dass Michelangelo bisher nur Skulpturen herstellte und nicht malte, aber so hat sich das eine auf das andere hervorragend übertragen. Gott, Vater erhält so auch einen menschlichen sehr dynamischen Körper. Bei der berühmtesten Szene, der Erschaffung des Menschen, kann man auch an den Gedanken Gottes erinnert werden.
Die Sixtinische Kapelle ist nur über die Vatikanische Museen zu erreichen:
Die Form, in der Gott dargestellt wird, erinnert an eine Muschel, oder auch an ein menschliches Gehirn... Wie groß oh Gott, sind Deine Gedanken! Wir alle, alle Christen und Menschen guten Sinnens sind schon von Ewigkeit her im Gedanken Gottes vorhanden! Eine wunderbare und geniale Idee Michelangelos! Auch Adam ist in einer Position dargestellt, die auf etwas Wartendes verweist. Adam wartet auf den Fingerzeig Gottes, auf den Missionsauftrag: Geh! Ich sende Dich! Du bist mein! So könnte jeder Mensch sein Dasein als eine Art Missionsauftrag von Gott betrachten und sich als ganz sein Eigentum vorkommen; seine ganz eigene und besondere Schöpfung. Du bist mein Kind. Du bist mein Geschöpf. Weil ich Dich berühre und weil ich es so will, kannst Du leben. Du bist ein genialer Gedanke!
Für die Gestaltung dieses Altarbildes hat Michelangelo 5 Jahre gebraucht und um es ganz genau zu erleben, bräuchte es mehrere Tage wenn nicht sogar Wochen.
In der Mitte der Darstellung des „Jüngsten Gerichts” befindet sich Christus auf einer Wolke. Links neben ihm befindet sich Maria, seine Mutter, die sich ganz eng an ihren Sohn lehnt. Sie zeigt allen anderen Figuren links die kalte Schulter und will damit sagen, dass nur Christus zählt. Nur Er ist wichtig, auf Ihn sollt ihr achten und hören.
Oberhalb der Christusfigur schweben Engel, die die Passionsgegenstände tragen: das Kreuz, die Dornenkrone und die Geißelungssäule. Unten links in der Ecke befinden sich die Verstorbenen, die noch auf das Gericht warten, bzw. die gerade gerichtet werden. Die ganze Bewegung der Dargestellten geht nach Oben, bis hin zu Christus. Bei den Verstorbenen kann man erkennen, dass Engel herzukommen und die Verstorbenen nach Oben ziehen, sie stellen die Geretteten dar. Unten rechts in der Ecke haben wir ein kleines Boot mit einem Gefährtsmann, er bringt die Seelen in die Hölle, sicherlich aus Dantes „Hölle” angelehnt.
In der Hölle befindet sich auch ein Bischof, den Michelangelo extra dort reingemalt hat, weil er sich beim Papst über ihn beschwert hat: Michelangelo habe ja alle Figuren nackt dargestellt und dies ginge so nicht. Daraufhin hat Michelangelo reagiert und ihn in die Hölle befördert, was den Bischof noch wütender machte und er sich wieder beim Papst beschwerte, der daraufhin sagte: also für das Fegefeuer kann ich was machen, auch für den Himmel, aber für die Hölle kann ich nichts mehr machen... Tut mir Leid. Man kann diesen Bischof ganz unten rechts erkennen, mit einem schlangenartigen Wesen um seinen Körper geschwungen. Eine andere Seele, die in die Hölle hinabgezogen wird, wird an ihren Geschlechtsteilen hinuntergezogen - was wohl darauf hinweist, dass diese Seele nur zügellos gelebt hat.
Wenn wir unseren Blick dann wieder etwas erheben und in Richtung Christus aufschauen und gehen, können wir ein paar Heilige erkennen, so z. Bsp. die Hl. Katharina von Alexandrien mit ihrem Rad, oder auch den Hl. Laurentius und den Hl. Bartholomäus zu den Füßen Christi. Laurentius ist an dem Rost zu erkennen, das er in den Händen hält. Er war der erste römische Diakon, der für Jesus Christus sein Leben dahingab und geröstet wurde. Daneben befindet sich der Hl. Bartholomäus, der eine Haut in den Händen hält. Das soll seine eigene Haut sein und deutet auf sein Martyrium hin: er ist enthäutet worden.
Links von Maria kann man den Hl. Andreas mit seinem Kreuz erkennen und auf der gegenüberliegenden Seite den Hl. Johannes den Täufer und Petrus, der ein paar Schlüssel in den Händen hält. Hier lohnt es sich einmal auf das Detail zu achten: welche Farben haben die Schlüssel? Gold-gelb und silber-weiß. Und an diesem Punkt möchte ich auf die Farben der Vatikanflagge aufmerksam machen: Gelb-weiß.
Vieles gäbe es noch über die Kapelle zu sagen, aber hier sollen meine Worte verstummen, denn man muss diese Kapelle einfach auf sich wirken lassen. Vielleicht gehört man ja auch einmal zu den Glücklichen, die in dieser Kapelle ein Gebet verrichten dürfen, für 2 Stunden oder auch nur für 2 Minuten. Es lohnt sich! Und Gott ist einem Nahe - überall!