Archiv der Audienzen (ab Dezember 2022)


Generalaudienz am 28. Juni 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, eine weitere große Zeugin apostolischen Eifers ist die heilige Mary MacKillop, die Gründerin der „Schwestern des heiligen Josef vom Heiligsten Herzen“. Bereits in jungen Jahren stand für sie fest, dass sie den Glauben nicht nur mit Worten verkünden wollte, sondern durch ein in der Gegenwart Gottes verwandeltes Leben (vgl. Evangelii Gaudium, 259). In einer katholischen Erziehung sah sie eine wichtige Form der Glaubensvermittlung. Und so gründete sie Schulen in Australien sowie Neuseeland und widmete dabei den Armen und Außenseitern der Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit. Sie verfolgte in der Erziehung einen ganzheitlichen Ansatz, der den Menschen sowohl als Individuum wie auch als Glied einer Gemeinschaft in den Blick nimmt. Dementsprechend war Erziehung für sie stets mehr als nur Wissensvermittlung: Es ging ihr um eine weise, geduldige und liebevolle Begleitung sowie Ermutigung der Heranwachsenden auf ihrem Weg menschlichen und geistlichen Wachstums. Viele fanden so zu einer lebendigen Beziehung mit dem Auferstandenen, die das Herz weit und das Leben menschlicher macht. Möge die heilige Mary MacKillop allen, die in der Ausbildung und Erziehung tätig sind, ein leuchtendes Vorbild sein!

 

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 07. Juni 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

herzlich willkommen, guten Tag!

 

Hier vor uns stehen die Reliquien der heiligen Theresia vom Kinde Jesus, Schutzpatronin der Missionen. Es ist schön, dass dies der Fall ist, während wir über die Leidenschaft für die Evangelisierung, über den apostolischen Eifer nachdenken. Lassen wir uns heute also vom Zeugnis der heiligen kleinen Theresia helfen. Sie wurde vor 150 Jahren geboren, und an diesem Jahrestag möchte ich ihr ein Apostolisches Schreiben widmen.

 

Sie ist die Schutzpatronin der Missionen, aber sie war nie in der Mission: Wie erklärt sich das? Sie war eine Karmelitin, und ihr Leben stand im Zeichen der Kleinheit und der Schwachheit: Sie selbst bezeichnete sich als ein »kleines Sandkorn«. Gesundheitlich angeschlagen starb sie mit 24 Jahren. Wenngleich ihr Leib krank war, so war ihr Herz doch lebendig, war es missionarisch. In ihrem »Tagebuch« berichtet sie, dass es ihr Wunsch war, Missionarin zu sein, und zwar nicht nur für einige Jahre, sondern das ganze Leben lang, ja sogar bis ans Ende der Welt. Theresia war »geistliche Schwester« mehrerer Missionare: Vom Kloster aus begleitete sie sie mit ihren Briefen, mit dem Gebet und indem sie beständig für sie Opfer darbrachte. Ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen, hielt sie Fürsprache für die Missionen, wie ein Motor, der im Verborgenen einem Gefährt die Kraft gibt, voranzugehen. Dennoch wurde sie von ihren Mitschwestern oft nicht verstanden: Sie bekam von ihnen »mehr Dornen als Rosen«, nahm aber alles mit Liebe, mit Geduld an und brachte zusammen mit der Krankheit auch die Urteile und das Unverständnis zum Opfer dar. Und sie tat es mit Freude, sie tat es zum Wohl der Kirche, damit es, wie sie sagte, »Rosen über alle« regnen würde, vor allem über die Fernstehenden.

 

Nun aber frage ich mich, können wir uns fragen: Woher kommen all dieser Eifer, diese missionarische Kraft und diese Freude an der Fürbitte? Zwei Episoden, die geschehen sind, bevor Theresia in das Kloster eingetreten ist, helfen uns, das zu verstehen. Die erste betrifft den Tag, der ihr Leben verändert hat, Weihnachten 1886, als Gott in ihrem Herzen ein Wunder wirkte. Theresia stand kurz vor ihrem 14. Geburtstag. Als jüngste Tochter wurde sie im Haus von allen verwöhnt, aber nicht »verzogen«. Nach der Rückkehr von der Mitternachtsmesse hatte ihr Vater, der sehr müde war, jedoch keine Lust, dabei zu sein, wenn seine Tochter die Geschenke öffnen würde, und sagte: »Nun, gottlob ist es das letzte Jahr!«, denn mit 15 Jahren bekam man bereits keine Geschenke mehr. Theresia, die vom Wesen her sehr sensibel war und schnell in Tränen ausbrach, war darüber traurig, ging in ihr Zimmer hinauf und weinte. Aber schnell unterdrückte sie die Tränen, ging hinunter, und voll Freude war sie es, die ihren Vater fröhlich machte. Was war geschehen? In jener Nacht, in der Jesus aus Liebe zu einem schwachen Menschen geworden war, hatte sie ihre Seelenstärke gewonnen – ein wahres Wunder: Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie das Gefängnis ihres Egoismus und ihres Selbstmitleids verlassen und fühlte die Liebe in ihr Herz einziehen, das Bedürfnis, sich selbst zu vergessen (vgl. Handschrift A, 48). Von da an richtete sich ihr Eifer auf die anderen, auf dass sie Gott finden mögen, und statt Trost für sich selbst zu suchen, nahm sie sich vor, »Jesus zu trösten, […] dahin zu wirken, dass er geliebt werde«, denn – so schreibt Theresia – »Jesus ist krank vor Liebe, und […] wer an der Liebe krankt, [kann] nur durch Liebe geheilt werden« (Brief an Marie Guérin, Juli 1890). Das nimmt sie sich jeden Tag vor: »Dahin wirken, dass Jesus geliebt werde« (Brief an Céline, 15. Oktober 1889), Fürsprache zu halten, damit die anderen ihn lieben. Sie schrieb: »Ich möchte Seelen retten und mich für sie vergessen; auch nach meinem Tod möchte ich Seelen retten« (Brief an P. Roullan, 19. März 1897). Mehrfach sagte sie: »Ich werde meinen Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun.« Das ist die erste Episode, die ihr Leben verändert hat, als sie 14 Jahre alt war.

 

Und ihr Eifer war vor allem auf die Sünder, auf die »Fernstehenden« gerichtet. Das zeigt die zweite Episode. Theresia erfährt von einem Verbrecher, der für schreckliche Verbrechen zum Tode verurteilt ist, er hieß Enrico Pranzini – sie schreibt den Namen: Des brutalen Mordes an drei Menschen schuldig gesprochen, ist er zur Guillotine verurteilt, will aber nicht den Trost des Glaubens empfangen. Theresia nimmt ihn sich zu Herzen und tut alles, was sie kann: Sie betet auf jede erdenkliche Weise für seine Umkehr, damit er, den sie mit geschwisterlichem Mitgefühl den »unglücklichen Pranzini« nennt, ein kleines Zeichen der Reue zeigen und Raum schaffen möge für die Barmherzigkeit Gottes, auf die Theresia blind vertraut. Es kommt zur Hinrichtung. Am nächsten Tag liest Theresia in der Zeitung, dass Pranzini, kurz bevor er seinen Kopf auf das Schafott legt, »plötzlich, einer jähen Eingebung folgend, sich umwendet, das Kruzifix ergreift, das ihm der Priester hinhielt, und dreimal die heiligen Wunden küsst«, die Wunden Jesu. Die Heilige kommentiert: »Dann ging seine Seele hin, das erbarmende Urteil dessen zu empfangen, der verkündet, im Himmel werde mehr Freude sein über einen einzigen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen!« (Handschrift A, 49).

 

Brüder und Schwestern, das ist die Kraft der von der Liebe bewegten Fürbitte, das ist der Motor der Mission. Denn die Missionare, deren Schutzpatronin Theresia ist, sind nicht nur jene, die lange Wege zurücklegen, neue Sprachen lernen, gute Werke tun und gut sind in der Verkündigung; nein, Missionar ist auch jeder, der dort, wo er sich befindet, als Werkzeug der Liebe Gottes lebt; und wer alles tut, damit durch sein Zeugnis, sein Gebet, seine Fürsprache Jesus vorübergeht. Und das ist der apostolische Eifer, der, denken wir immer daran, nie durch Proselytismus – nie! – oder durch Zwang – nie! – funktioniert, sondern durch Anziehung: Der Glaube entsteht durch Anziehung, man wird nicht zu Christen, weil man von jemandem gezwungen wird, nein, sondern weil man von der Liebe berührt wird. Mehr als viele Mittel, Methoden und Strukturen, die manchmal vom Wesentlichen ablenken, braucht die Kirche Herzen wie das von Theresia, Herzen, die zur Liebe anziehen und Gott annähern. Und bitten wir die Heilige – wir haben die Reliquien hier – bitten wir die Heilige um die Gnade, unseren Egoismus zu überwinden, und bitten wir um die Leidenschaft, Fürsprache zu halten, auf dass diese Anziehung bei den Menschen größer sein und Jesus gekannt und geliebt sein möge. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 31. Mai 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Wir setzen diese Katechesen fort, in denen wir über den apostolischen Eifer sprechen, also über das, was der Christ verspürt, um die Verkündigung Jesu Christi voranzubringen. Und heute möchte ich ein weiteres großes Vorbild des apostolischen Eifers vorstellen: Wir haben über den heiligen Franz Xaver gesprochen, über den heiligen Paulus, den apostolischen Eifer der großen Eiferer; heute werden wir über einen Italiener sprechen, der jedoch nach China gegangen ist: Matteo Ricci.

 

Er stammte aus Macerata, in den Marken, und nachdem er Jesuitenschulen besucht hatte und selbst in die Gesellschaft Jesu eingetreten war, bat er darum – begeistert von den Berichten der Missionare, die er hörte, begeistert wie viele andere junge Menschen, die das hörten –, in die Missionen in den Fernen Osten gesandt zu werden. Nach dem Versuch des heiligen Franz Xaver hatten weitere 25 Jesuiten vergeblich versucht, nach China hineinzukommen. Aber Ricci und ein Mitbruder bereiteten sich sehr gut vor, studierten gewissenhaft die Sprache und die Gebräuche Chinas, und schließlich gelang es ihnen, die Genehmigung zu erhalten, sich im Süden des Landes niederzulassen. Es dauerte 18 Jahre, mit vier Etappen in vier verschiedenen Städten, bis sie in Peking, dem Zentrum, ankamen. Mit Beharrlichkeit und Geduld, von einem unerschütterlichen Glauben beseelt, konnte Matteo Ricci Schwierigkeiten, Gefahren, Misstrauen und Widerstände überwinden. Denkt nur, zu jener Zeit, zu Fuß oder zu Pferd, große Entfernungen… und er ging voran. Was aber war Matteo Riccis Geheimnis? Auf welchem Weg hat der Eifer ihn vorangetrieben?

 

Er ist immer dem Weg des Dialogs und der Freundschaft gefolgt mit allen Menschen, denen er begegnete, und das hat ihm viele Türen für die Verkündigung des christlichen Glaubens geöffnet. Sein erstes Werk in chinesischer Sprache war tatsächlich die Abhandlung Über die Freundschaft, die großen Anklang fand. Um sich in die chinesische Kultur und das chinesische Leben zu integrieren, kleidete er sich zunächst wie die buddhistischen Bonzen, wie es der Landessitte entsprach, aber dann verstand er, dass der beste Weg darin bestand, den Lebensstil und die Kleidung der Literaten, wie der Universitäts-professoren, zu übernehmen. Er kleidete sich so wie die Literaten. Er befasste sich zutiefst mit ihren klassischen Texten, um das Christentum in einem positiven Dialog mit ihrer konfuzianischen Weisheit und mit den Sitten und Gebräuchen der chinesischen Gesellschaft darlegen zu können. Und das bezeichnet man als Inkulturation. Dieser Missionar hat es verstanden, den christlichen Glauben im Dialog zu »inkulturieren«, wie die antiken Kirchenväter mit der griechischen Kultur.

 

Seine hervorragende naturwissenschaftliche Ausbildung rief Interesse und Bewunderung seitens gebildeter Männer hervor, begonnen bei seiner berühmten Weltkarte, der Karte der ganzen damals bekannten Welt, mit den verschiedenen Kontinenten, die den Chinesen zum ersten Mal eine viel größere äußere Wirklichkeit offenbart, als sie jemals gedacht hätten. Sie zeigt ihnen, dass die Welt größer ist als China, und sie verstanden es – weil sie intelligent waren. Aber auch die mathematischen und astronomischen Kenntnisse Riccis und der Missionare in seinem Gefolge trugen zu einer fruchtbaren Begegnung zwischen der Kultur und Wissenschaft des Westens und des Ostens bei, die damals eine ihrer glücklichsten Zeiten erlebte, im Zeichen des Dialogs und der Freundschaft. Tatsächlich wäre Matteo Riccis Werk nie möglich gewesen ohne die Mitarbeit seiner großen chinesischen Freunde, wie der berühmten »Doktor Paulus« (Xu Guanqui) und »Doktor Leo« (Li Zhizao).

 

Dennoch darf Riccis großer Ruf als Wissenschaftler nicht den tiefsten Beweggrund all seiner Anstrengungen verdunkeln: die Verkündigung des Evangeliums. Mit dem wissenschaftlichen Dialog, mit den Wissenschaftlern ging er voran, gab jedoch Zeugnis von seinem eigenen Glauben, dem Evangelium. Die durch den wissenschaftlichen Dialog erlangte Glaubwürdigkeit gab ihm die Autorität, die Wahrheit des Glaubens und der christlichen Moral darzulegen, über die er in seinen chinesischen Hauptwerken, wie Die sichere Kenntnis von Gott – so hieß jenes Buch – vertieft sprach. Außer der Lehre gibt es sein Zeugnis vom Ordensleben, von der Tugend und vom Gebet: Diese Missionare beteten. Sie gingen hin, um zu verkündigen, sie bewegten sich, machten politische Schachzüge, all das: Aber sie beteten. Das Gebet, das das missionarische Leben nährt, ein Leben der Nächstenliebe – sie halfen den anderen, den Geringen, in völligem Desinteresse an Ehren und Reichtümern – bringen viele seiner chinesischen Schüler und Freunde dazu, den katholischen Glauben anzunehmen. Weil sie einen Mann sahen, der so intelligent, so weise, so schlau – im guten Sinne des Wortes – war, die Dinge voranzubringen, und so gläubig, dass sie sagten: »Was er predigt, ist wahr, weil es von einer Persönlichkeit kommt, die Zeugnis gibt: Er bezeugt das, was er verkündigt, mit dem eigenen Leben.« Das ist die Konsequenz der Evangelisierer. Und das betrifft uns alle als Christen, die wir Evangelisierer sind. Ich kann das Glaubensbekenntnis auswendig aufsagen, ich kann alles sagen, was wir glauben, aber wenn dein Leben nicht konsequent übereinstimmt mit dem, was du bekennst, dann ist es nutzlos. Was die Menschen anzieht, ist das konsequente Zeugnis: Wir Christen sind berufen, zu leben, was wir sagen, und nicht, so zu tun, als lebten wir als Christen, aber gleichzeitig weltlich zu leben. Schaut diese großen Missionare an – wie Matteo Ricci, der Italiener ist –, wenn ihr diese Missionare anschaut, werdet ihr sehen, dass die größte Kraft die Konsequenz ist: Sie sind konsequent.

 

In den letzten Tagen seines Lebens antwortete Matteo Ricci denen, die ihm nahestanden und ihn fragen, wie er sich fühle, »dass er in jenem Augenblick darüber nachdachte, was größer sei: die Freude, die er innerlich bei dem Gedanken verspürte, dass seine Reise zu Gott nunmehr nahe sei, oder die Traurigkeit darüber, die Gefährten der ganzen Mission, die er sehr liebte, und den Dienst, den er Gott, unserem Herrn, in dieser Mission noch erweisen konnte, zurückzulassen« (S. De Ursis, Relazione su M.  Ricci, Archivio Storico Romano S.I.). Es ist dieselbe Haltung des Apostels Paulus (vgl. Phil 1,22-24), der zum Herrn gehen, dem Herrn begegnen wollte, aber »bei euch allen verbleiben« wollte, um zu dienen.

 

Matteo Ricci stirbt 1610 in Peking, im Alter von 57 Jahren, ein Mann, der sein ganzes Leben für die Mission hingeschenkt hat. Matteo Riccis missionarischer Geist ist ein zeitgemäßes Lebensvorbild. Seine Liebe zum chinesischen Volk ist ein Vorbild; ein zeitgemäßer Weg ist jedoch die Konsequenz seines Lebens, das Zeugnis seines Lebens als Christ. Er hat das Christentum nach China gebracht; ja, er ist groß, weil er ein großer Wissenschaftler ist, er ist groß, weil er mutig ist, er ist groß, weil er viele Bücher geschrieben hat, vor allem aber ist er groß, weil er konsequent war in seiner Berufung, konsequent im Willen, Jesus Christus nachzufolgen. Brüder und Schwestern, fragen wir uns heute, jeder von uns, in unserem Innern: »Bin ich konsequent, oder bin ich halbherzig?«          

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 24. Mai 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

In dieser Katechesereihe begeben wir uns in die Schule einiger heiliger Männer und Frauen, die uns als vorbildliche Zeugen den apostolischen Eifer lehren. Wir erinnern uns, dass wir über den apostolischen Eifer sprechen, den wir haben müssen, um das Evangelium zu verkünden.

 

Ein großes Beispiel eines Heiligen der Leidenschaft für die Evangelisierung finden wir heute in einem sehr fernen Land, in der koreanischen Kirche. Wir blicken auf den Märtyrer und ersten koreanischen Priester, den heiligen Andreas Kim Taegon. Die Evangelisierung Koreas wurde jedoch von Laien vorgenommen. Die getauften Laien haben den Glauben weitergegeben, es gab keine Priester, weil sie keine hatten: Sie kamen später, daher wurde die Erstevangelisierung von Laien vorgenommen. Wären wir zu so etwas in der Lage? Denken wir darüber nach: Es ist interessant. Und dies ist einer der ersten Priester, der heilige Andreas. Sein Leben ist und bleibt ein beredtes Zeugnis des Eifers für die Verkündigung des Evangeliums.

 

Vor etwa 200 Jahren war Korea Schauplatz einer sehr schlimmen Verfolgung: Die Chris-ten wurden verfolgt und vernichtet. An Jesus Christus zu glauben bedeutete im damaligen Korea, bereit zu sein, Zeugnis abzulegen bis zum Tod. Insbesondere können wir das Vorbild des heiligen Andreas Kim zwei konkreten Aspekten seines Lebens entnehmen.

 

Der erste ist die Weise, in denen er den Gläubigen begegnen musste. Aufgrund des stark bedrohlichen Umfelds war der Heilige gezwungen, sich den Christen in einer nicht offenkundigen Form anzunähern, stets in Anwesenheit weiterer Personen, so als würden sie schon länger miteinander sprechen. Um die christliche Identität seines Gesprächspartners zu erkennen, wandte der heilige An-dreas folgende Mittel an. Zunächst gab es ein vorher vereinbartes Erkennungszeichen: Du triffst dich mit diesem und jenem Christen, und er hat dieses oder jenes Zeichen an der Kleidung oder in der Hand; dann stellte er insgeheim die Frage – aber mit gedämpfter Stimme: »Bist du ein Jünger Jesu?« Da weitere Personen bei dem Gespräch dabei waren, musste der Heilige mit leiser Stimme sprechen und durfte nur wenige Worte sagen, die wesentlichsten. Für Andreas Kim war der Ausdruck, der die ganze Identität des Chris-ten zusammenfasste, also »Jünger Christi«: »Bist du ein Jünger Christi?«, aber mit leiser Stimme, weil es gefährlich war. Es war verboten, Christ zu sein.

 

Jünger des Herrn zu sein bedeutet tatsächlich, ihm nachzufolgen, seinem Weg zu folgen. Und der Christ ist seinem Wesen nach jemand, der Jesus verkündigt und von ihm Zeugnis gibt. Jede christliche Gemeinde empfängt vom Heiligen Geist diese Identität, und ebenso die ganze Kirche, vom Pfingsttag an (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Ad gentes, 2). Und aus diesem Geist, den wir empfangen, entsteht die Leidenschaft, die Leidenschaft für die Evangelisierung, dieser große apostolische Eifer: Er ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Und auch wenn das Umfeld nicht wohlwollend ist, wie das koreanische Umfeld von Andreas Kim, ändert es nichts an der Leidenschaft, ja sie bekommt sogar noch größeren Wert. Der heilige Andreas Kim und die anderen koreanischen Gläubigen haben gezeigt, dass das in Zeiten der Verfolgung gegebene Zeugnis des Evangeliums viele Früchte für den Glauben tragen kann.

 

Betrachten wir jetzt ein zweites konkretes Beispiel. Als er noch Seminarist war, musste der heilige Andreas eine Form finden, die ausländischen Missionare heimlich aufzunehmen. Das war keine einfache Aufgabe, denn das damalige Regime verbot strengstens allen Ausländern, das Staatsgebiet zu betreten. Daher war es – vorher – so schwierig gewesen, einen Priester zu finden, der kommen würde, um zu missionieren: Die Mission wurde von den Laien betrieben. Einmal – denkt nur, was der heilige Andreas getan hat – einmal war er so lange bei Schneetreiben unterwegs, ohne etwas zu essen, dass er entkräftet zu Boden fiel und Gefahr lief, bewusstlos zu werden und zu erfrieren. An diesem Punkt hörte er plötzlich eine Stimme: »Steh auf und geh!« Als er jene Stimme hörte, kam er wieder zu Bewusstsein und nahm so etwas wie einen Schatten von jemandem wahr, der ihn leitete.

 

Diese Erfahrung des großen koreanischen Zeugen lässt uns einen sehr wichtigen Aspekt des apostolischen Eifers verstehen, also den Mut, wiederaufzustehen, wenn man fällt. Fallen denn die Heiligen? Ja! Und zwar von Anfang an. Denkt an den heiligen Petrus: Er hat eine große Sünde begangen, aber er hatte Kraft in der Barmherzigkeit Gottes und ist wieder aufgestanden. Und im heiligen An-dreas sehen wir diese Kraft: Er war physisch gefallen, hatte aber die Kraft, immer weiterzugehen, um die Botschaft voranzutragen. So schwierig die Situation auch sein mag – manchmal scheint sie der Botschaft des Evangeliums nicht einmal Raum zu lassen –, wir dürfen nicht lockerlassen und wir dürfen nicht darauf verzichten, das voranzubringen, was in unserem christlichen Leben wesentlich ist, also die Evangelisierung. Das ist der Weg. Und ein jeder von uns mag denken: »Wie kann ich denn evangelisieren?« Aber schau auf diese Großen, und denk nach in deinem Kleinen, denken wir nach in unserem Kleinen: die Familie evangelisieren, die Freunde evangelisieren, von Jesus sprechen, aber von Jesus sprechen und evangelisieren mit dem Herzen voll Freude, voll Kraft. Und diese schenkt der Heilige Geist. Machen wir uns bereit, am bevorstehenden Pfingstfest den Heiligen Geist zu empfangen, und bitten wir ihn um jene Gnade, die Gnade des apostolischen Mutes, die Gnade zu evangelisieren, die Botschaft Jesu stets voranzutragen. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 17. Mai 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

 

Wir setzen unsere Katechesereihe mit einigen Vorbildern für den apostolischen Eifer fort… Wir sprechen ja über die Evangelisierung, den apostolischen Eifer, darüber, den Namen Jesu voranzutragen, und es gibt in der Geschichte viele Frauen und Männer, die das auf vorbildliche Weise getan haben. Heute wählen wir als Beispiel den heiligen Franz Xaver: Einigen gilt er als der größte Missionar der Neuzeit. Man kann jedoch nicht sagen, wer der Größte oder wer der Kleinste ist, denn es gibt viele verborgene Missionare, die auch heute viel mehr tun als der heilige Franz Xaver. Und Xaver ist der Schutzpatron der Missionen, wie die heilige Theresia vom Kinde Jesus. Ein Missionar ist jedoch dann groß, wenn er sich aufmacht. Und es gibt viele, sehr viele Priester, Laien, Ordensschwestern, die in die Missionen gehen, auch aus Italien und viele von euch. Wenn man mir die Geschichte eines Priesters vorlegt als Kandidat für das Bischofsamt, sehe ich zum Beispiel: Er war zehn Jahre in der Mission an dem und dem Ort… Das ist großartig: Die Heimat verlassen, um das Evangelium zu verkünden. Das ist der apostolische Eifer. Und das müssen wir sehr pflegen. Und wenn wir die Gestalt dieser Männer, dieser Frauen betrachten, lernen wir etwas.

 

Der heilige Franz Xaver wird 1506 in einer adligen, aber verarmten Familie aus Navarra im nördlichen Spanien geboren. Er geht zum Studium nach Paris. Er ist ein weltgewandter, intelligenter, tüchtiger junger Mann. Dort begegnet er Ignatius von Loyola. Dieser lässt ihn die geistlichen Exerzitien machen, und er ändert sein Leben. Er gibt seine ganze weltliche Laufbahn auf, um Missionar zu werden. Er wird Jesuit, legt die Gelübde ab. Dann wird er Priester und geht hin, um zu evangelisieren, in den Fernen Osten gesandt. In jener Zeit waren die Reisen der Missionare in den Fernen Osten eine Aussendung in unbekannte Welten. Und er geht, weil er vom apostolischen Eifer erfüllt war.

 

So bricht der erste einer großen Schar leidenschaftlicher Missionare der Neuzeit auf, bereit, enorme Mühen und Gefahren auf sich zu nehmen, um in fremde Gegenden zu gelangen und Völkern mit vollkommen unbekannten Kulturen und Sprachen zu begegnen, getrieben von dem tiefen Verlangen, den Menschen Jesus Christus und sein Evangelium zu bringen.

 

In wenig mehr als elf Jahren vollbringt er ein wunderbares Werk. Er war mehr oder weniger elf Jahre lang Missionar. Schiffsreisen waren in jener Zeit sehr hart, sie waren gefährlich. Viele starben auf der Reise durch Schiffbruch oder Krankheiten. Heute sterben Menschen leider, weil wir sie im Mittelmeer sterben lassen… Xaver verbringt über dreieinhalb Jahre auf Schiffen, ein Drittel der gesamten Dauer seiner Mission. Auf Schiffen verbringt er über dreieinhalb Jahre, um nach Indien und dann von Indien nach Japan zu reisen.

 

Im indischen Goa angekommen, der Hauptstadt des portugiesischen Ostens, der Hauptstadt der Kultur und auch des Handels, errichtet Xaver dort seine Basis, aber er bleibt nicht dort. Er bricht auf, um die armen Fischer an der Südküste Indiens zu evangelisieren, indem er die Kinder den Katechismus und Gebete lehrt, tauft und Kranke heilt. Dann spürt er in einem nächtlichen Gebet am Grab des heiligen Apostels Bartholomäus, dass er über Indien hinausgehen soll. Er lässt die Arbeit in guten Händen und segelt mutig zu den Molukken, den fernsten Inseln des indonesischen Archipels. Diese Menschen kannten keine Grenzen, sie gingen immer weiter… Einen Mut hatten diese heiligen Missionare! Auch die heutigen, auch wenn sie nicht drei Jahre mit dem Schiff unterwegs sind, sondern 24 Stunden im Flugzeug fliegen, aber dort angekommen ist es dann dasselbe. Man muss sich dort eingewöhnen und viele Kilometer zurücklegen, in die Wälder vordringen. Xaver überträgt dort, auf den Molukken, den Katechismus in Versform in die Lokalsprache, und lehrt, den Katechismus zu singen, denn mit Gesang lernt man ihn besser. Was er fühlte, wissen wir aus seinen Briefen. Er schreibt: »Wer bereiten Willens die Entbehrungen und Gefahren einzig in Liebe zu Gott und seinem heiligen Dienste hingegeben erträgt, dem verwandeln sie sich in Schätze, deren Frucht die inneren Freuden sind; ja, in wenigen Jahren könnten diese Inseln dem Menschen das Augenlicht rauben, so viel Tränen vergießt er in dieser Freude!« (20. Januar 1548). Er weinte vor Freude, als er das Werk des Herrn sah.

 

Eines Tages, in Indien, begegnet er einem Japaner, der ihm von seinem fernen Land erzählt, in das bisher noch kein europäischer Missionar vorgedrungen war. Und Franz Xaver, der die Unruhe des Apostels besaß, in immer neue Horizonte vorzustoßen, beschließt, möglichst bald aufzubrechen, und kommt nach einer abenteuerlichen Reise auf der Dschunke eines Chinesen dort an. Die drei Jahre in Japan sind sehr hart aufgrund des Klimas, der Widerstände und seiner Unkenntnis der Sprache, aber auch hier werden die gesäten Samen große Früchte hervorbringen.

 

In Japan versteht Xaver, der große Träumer, dass das entscheidende Land für die Mission in Asien ein anderes war: China, das mit seiner Kultur, seiner Geschichte, seiner Größe tatsächlich eine Vorherrschaft in jenem Teil der Welt ausübte. Auch heute ist China ein kultureller Pol, mit einer großen Geschichte, einer wunderschönen Geschichte. Er kehrt daher nach Goa zurück und schifft sich wenig später erneut ein, in der Hoffnung, nach China hineinzukommen. Aber sein Plan scheitert: Er stirbt vor den Toren Chinas, auf einer Insel, der kleinen Insel Shangchuan Dao vor der chinesischen Küste, während er vergebens darauf wartet, bei Kanton auf das Festland übersetzen zu können. Am 3. Dezember 1552 stirbt er mutterseelenallein, nur ein Chinese ist bei ihm, um die Totenwache zu halten. So endet Franz Xavers irdische Reise. Er war gealtert, wie alt war er? Schon 80? Nein… Er war erst 46 Jahre alt, hatte das Leben in der Mission verbracht, mit großem Eifer. Er bricht im kultivierten Spanien auf, kommt im damals kultiviertesten Land der Welt, in China, an und stirbt vor den Toren des großen China, begleitet von einem Chinesen. Alles ein Symbol!

 

Seine sehr intensive Aktivität war stets vereint mit dem Gebet, mit der mystischen und kontemplativen Vereinigung mit Gott. Er vernachlässigte das Gebet nie, weil er wusste, dass dort die Kraft liegt. Wo auch immer er sich befand, trug er große Sorge für die Kranken, die Armen und die Kinder. Er war kein »aristokratischer« Missionar, sondern ging immer zu den Notleidenden, den Kindern, die Unterweisung, Katechese brauchten, zu den Armen, den Kranken: Er leistete an allen Fronten Beistand, wobei er an Größe zugenommen hat. Die Liebe Christi war die Kraft, die ihn bis in die fernsten Gegenden getrieben hat, unter ständigen Mühen und Gefahren, die ihn Misserfolge, Enttäuschungen und Entmutigungen überwinden ließ, ja die ihm den Trost und die Freude geschenkt hat, ihm nachzufolgen und ihm bis zum Ende zu dienen.

 

Möge der heilige Franz Xaver, der all diese großen Dinge getan hat, in großer Armut und mit viel Mut, uns etwas von diesem Eifer schenken, von diesem Eifer, das Evangelium zu leben und das Evangelium zu verkünden. Den vielen jungen Menschen, die heute etwas Unruhe verspüren und nicht wissen, was sie mit dieser Unruhe anfangen sollen, sage ich: Schaut auf Franz Xaver, schaut auf den Horizont der Welt, schaut auf die Völker in großen Nöten, schaut auf all die Menschen, die leiden, die vielen Menschen, die Jesus brauchen. Und geht hin, habt Mut. Auch heute gibt es viele mutige junge Menschen. Ich denke an die vielen Missionare zum Beispiel in Papua-Neuguinea, ich denke an meine jungen Freunde in der Diözese Vanimo und an alle, die auf den Spuren von Franz Xaver hinausgegangen sind, um zu evangelisieren. Möge der Herr uns allen die Freude am Evangelisieren schenken, die Freude, diese so schöne Botschaft voranzutragen, die uns und alle glücklich macht. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 10. Mai 2023

 

Brüder und Schwestern!

 

Mit großer Freude begrüße ich heute Seine Heiligkeit Tawadros II., Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhls des heiligen Markus, sowie die ehrenwerte Delegation, die ihn begleitet.

 

Seine Heiligkeit Tawadros hat meine Einladung angenommen, nach Rom zu kommen, um mit mir den 50. Jahrestag der historischen Begegnung zwischen dem heiligen Papst Paul VI. und Papst Schenouda III. im Jahr 1973 zu feiern. Es handelte sich um die erste Begegnung zwischen einem Bischof von Rom und einem Patriarchen der koptisch-orthodoxen Kirche, deren Höhepunkt die Unterzeichnung einer denkwürdigen gemeinsamen christologischen Erklärung war, genau am 10. Mai. In Erinnerung an dieses Ereignis ist Seine Heiligkeit Tawadros am 10. Mai vor zehn Jahren zum ersten Mal gekommen, um mich zu besuchen, wenige Monate nach seiner und meiner Wahl, und hat vorgeschlagen, an jedem 10. Mai den »Tag der koptisch-katholischen Freundschaft« zu feiern, den wir seitdem jedes Jahr begehen.

 

Wir sprechen am Telefon miteinander, wir senden uns Grüße, und wir bleiben gute Brüder, wir haben uns nie gestritten!

 

Lieber Freund und Bruder Tawadros, ich danke Ihnen, dass Sie meine Einladung an diesem zweifachen Jahrestag angenommen haben, und ich bete dafür, dass das Licht des Heiligen Geistes Ihren Besuch in Rom, die wichtigen Begegnungen, die Sie hier haben werden, und insbesondere unsere persönlichen Gespräche erleuchten möge. Ich danke Ihnen von Herzen für Ihren Einsatz für die wachsende Freundschaft zwischen der koptisch-orthodoxen Kirche und der katholischen Kirche.

 

Eure Heiligkeit, liebe Bischöfe und alle Freunde, gemeinsam mit euch bitte ich Gott, den Allmächtigen, durch die Fürsprache der Heiligen und Märtyrer der koptischen Kirche, dass er uns helfen möge, in der Gemeinschaft zu wachsen, in einem einzigen und heiligen Band des Glaubens, der Hoffnung und der christlichen Liebe. Und im Zusammenhang mit den Märtyrern der koptischen Kirche, die auch unsere Märtyrer sind, möchte ich an die Märtyrer am libyschen Strand erinnern, die vor wenigen Jahren zu Märtyrern geworden sind.

 

Ich bitte alle Anwesenden, Gott zu bitten, dass er den Besuch von Papst Tawadros in Rom segnen und die ganze koptisch-orthodoxe Kirche schützen möge. Möge dieser Besuch uns schneller dem gesegneten Tag näherbringen, an dem wir eins sein werden in Christus! Danke.

 

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 03. Mai 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, dankbar blicke ich auf meine Apostolische Reise nach Ungarn zurück. Große Heiligengestalten und die rechtschaffene Bevölkerung prägten die Geschicke dieses Landes. Ihr Glaubenszeugnis gab besonders in den dramatischen dunklen Stunden der Geschichte festen Halt und spendete Trost und Hoffnung. Diese Verwurzlung im Glauben ist auch heute von zentraler Bedeutung, da die Freiheit erneut bedroht ist durch einen betäubenden materialistischen Konsumismus sowie einen hedonistischen Egoismus. Dabei geraten wichtige Werte wie Hingabe, Gemeinschaft, Familie und eine gemeinsame Vision zusehends in Vergessenheit. Erinnern wir uns unserer Wurzeln – denn nur, wenn wir in die Tiefe gehen, werden wir wachsen und Frucht bringen. Ein weiteres Bild kommt mir in den Sinn: die zahlreichen Brücken in Budapest, die uns an die stets aktuelle Notwendigkeit erinnern, Brücken zu bauen: Brücken zwischen den Völkern, Brücken für die vielen Menschen auf der Flucht, Brücken zwischen den Generationen – auch in der Kirche –, Brücken zwischen den Konfessionen, Brücken in eine Zukunft in Eintracht und Frieden. Denken wir ein wenig darüber nach, wo wir alle im Kleinen wie im Großen zu Brückenbauern werden können.

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 26. April 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, in der heutigen Katechese über den Eifer in der Verkündigung des Evangeliums blicken wir auf die Ordensleute, also jene Brüder und Schwestern, die dem Herrn auf dem Weg der evangelischen Räte der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams nachfolgen. Wie aber dient man in klösterlicher Zurückgezogenheit der Verkündigung des Evangeliums in der Welt? Es mag erstaunen, aber gerade auf diese Weise sind die Ordensleute das schlagende Herz der Verkündigung. Ihr Gebet verleiht dem missionarischen Wirken der Kirche seine Fruchtbarkeit. Nicht von ungefähr wurde die heilige Therese von Lisieux als kontemplative Ordensfrau zur Patronin der Missionare erwählt. Sie hatte erkannt, dass die Liebe die treibende Kraft hinter allem Tun der Kirche sein muss, und so wusste sie sich vor allem anderen zur Liebe berufen: „Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, will ich die Liebe sein“ (Autobiographie). Diese Liebe findet ihren Ausdruck im Gebet – im Gebet für andere, in der Fürbitte. Der heilige Kirchenlehrer Gregor von Narek ist ein herausragender Zeuge dieser Solidarität im Gebet. Er bittet mit den Bedürftigen, er bereut mit den Sündern, er fleht um Gottes Erbarmen für die, die Gott nicht kennen. Gerade die monastische „Entweltlichung“ ermöglicht es ihm, die ganze Welt vor Gott zu tragen.

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 19. April 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Im Rahmen unserer Katechesen über die Evangelisierung und den apostolischen Eifer wendet sich unser Blick, nachdem wir das Zeugnis des heiligen Paulus – eines wahren »Champions« des apostolischen Eifers – betrachtet haben, heute nicht einer einzelnen Gestalt zu, sondern der Schar der Märtyrer, Männer und Frauen jeden Alters, jeder Sprache und Nation, die ihr Leben für Christus hingegeben, ihr Blut vergossen haben, um Christus zu bekennen. Nach der Generation der Apostel waren sie die »Zeugen« des Evangeliums schlechthin. Die Märtyrer: Der erste war der heilige Diakon Stephanus, der vor den Toren Jerusalems gesteinigt wurde. Das Wort »Martyrium« kommt vom griechischen »martyria «, was »Zeugnis« bedeutet. Ein Märtyrer ist ein Zeuge, jemand, der Zeugnis gibt, bis hin zum Blutvergießen. Schon früh wurde in der Kirche jedoch das Wort »Märtyrer« benutzt, um auf jene zu verweisen, die das Blutzeugnis abgelegt haben.1  Zunächst verwies also das Wort »Märtyrer« auf das täglich abgelegte Zeugnis, in der Folgezeit wurde es benutzt, um auf jene zu verweisen, die durch Blutvergießen ihr Leben hingeben.

 

Die Märtyrer sollten jedoch nicht als »Helden« betrachtet werden, die als Einzelne gehandelt haben, wie Blumen, die in einer Wüste erblühen, sondern als reife und hervorragende Früchte des Weinstocks des Herrn, der Kirche. Insbesondere wurden die Christen, indem sie beständig an der Feier der Eucharistie teilnahmen, vom Heiligen Geist dahin geführt, ihr Leben auf die Grundlage jenes Geheimnisses der Liebe zu stellen: darauf, dass Jesus, der Herr, sein Leben für sie hingegeben hatte. Daher konnten und mussten auch sie das Leben für ihn und für die Geschwister hingeben. Eine enorme Großherzigkeit, der Weg des christlichen Zeugnisses. Der heilige Augustinus betont oft diese Dynamik aus Dankbarkeit und unentgeltlichem Erwidern des Geschenks. Zum Beispiel predigte er am Festtag des heiligen Laurentius: »Der heilige Laurentius war Diakon der Kirche von Rom. Dort war er Diener des Blutes Christi, und dort hat er sein Blut für den Namen Christi vergossen. Der selige Apostel Johannes hat das Geheimnis des Herrenmahls klar ausgelegt, indem er sagte: ›Wie Christus sein Leben für uns hingegeben hat, so müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben‹ (1 Joh  3,16). Laurentius, liebe Brüder, hat all das verstanden. Er hat es verstanden und in die Tat umgesetzt. Und wahrlich hat er das erwidert, was er bei jenem Mahl empfangen hat. Er liebte Christus in seinem Leben, er ahmte ihn nach in seinem Tod« (Sermo  304, 14; PL 38, 1395-1397). So erläuterte der heilige Augustinus die geistliche Dynamik, die die Märtyrer beseelte. Mit diesen Worten: Die Märtyrer lieben Christus in seinem Leben und ahmen ihn nach in seinem Tod.

 

Heute, liebe Brüder und Schwestern, gedenken wir aller Märtyrer, die das Leben der Kirche begleitet haben. Wie ich bereits oft gesagt habe, sind sie zahlreicher in unserer Zeit als in den ersten Jahrhunderten. Heute gibt es viele Märtyrer in der Kirche, viele, denn um den christlichen Glauben zu bekennen, werden sie aus der Gesellschaft verjagt oder gehen ins Gefängnis… Es sind viele. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: »Das Martyrium, das den Jünger dem Meister in der freien Annahme des Todes für das Heil der Welt ähnlich macht und im Vergießen des Blutes gleichgestaltet, wertet die Kirche als hervorragendes Geschenk und als höchsten Erweis der Liebe« (Konstitution Lumen gentium , 42). In der Nachfolge Christi und mit seiner Gnade machen die Märtyrer die Gewalt derer, die die Verkündigung ablehnen, zum höchsten Liebesbeweis, der bis zur Vergebung gegenüber den eigenen Peinigern reicht. Das ist interessant: Die Märtyrer vergeben immer ihren Peinigern. Stephanus, der erste Märtyrer, starb mit einem Gebet auf den Lippen: »Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Die Märtyrer beten für die Peiniger.

 

Wenn auch nur von einigen das Martyrium verlangt wird, »so müssen doch alle bereit sein, Christus vor den Menschen zu bekennen und ihm in den Verfolgungen, die der Kirche nie fehlen, auf dem Weg des Kreuzes zu folgen« (ebd., 42). Sind jedoch die Verfolgungen etwas, das nur frühere Zeiten betrifft? Nein, nein: heute. Heute gibt es Christenverfolgungen in der Welt, viele, sehr viele. Es gibt heute mehr Märtyrer als in den ersten Zeiten. Die Märtyrer zeigen uns, dass jeder Christ zum Zeugnis des Lebens berufen ist, auch wenn er nicht bis zum Blutvergießen gelangt, indem er sich selbst zur Gabe für Gott und für die Geschwister macht, in der Nachfolge Jesu.

 

Und abschließend möchte ich das christliche Zeugnis in allen Teilen der Welt in Erinnerung rufen. Ich denke zum Beispiel an den Jemen, ein seit vielen Jahren von einem schrecklichen Krieg verwundetes, vergessenes Land, wo es viele Tote gegeben hat und wo viele Menschen noch heute leiden müssen, besonders die Kinder. Gerade in diesem Land hat es glänzende Glaubenszeugnisse gegeben, wie das der Missionarinnen der Nächstenliebe, die dort das Leben hingegeben haben. Noch heute sind sie im Jemen anwesend, wo sie kranken alten Menschen und Menschen mit Behinderung Beistand leisten. Einige von ihnen haben das Martyrium erlitten, aber die anderen machen weiter; sie riskieren das Leben, aber sie gehen voran. Sie nehmen alle auf, aus allen Religionen, denn Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit haben keine Grenzen. Im Juli 1998 wurden Sr. Aletta, Sr. Zelia und Sr. Michael auf dem Heimweg nach der Messe von einem Fanatiker ermordet, weil sie Christinnen waren. In jüngerer Zeit, kurz nach Beginn des noch andauernden Konflikts, im März 2016, wurden Sr. Anselm, Sr. Marguerite, Sr. Reginette und Sr. Judith ermordet, zusammen mit einigen Laien, die ihnen bei ihrem Werk der Nächstenliebe unter den Geringsten halfen. Sie sind die Märtyrer unserer Zeit. Unter diesen ermordeten Laien waren außer den Christen auch gläubige Muslime, die mit den Schwestern zusammenarbeiteten. Es bewegt uns zu sehen, dass das Blutzeugnis Menschen verschiedener Religionen vereinen kann. Man darf nie im Namen Gottes töten, denn für ihn sind wir alle Brüder und Schwestern. Aber gemeinsam kann man das Leben für die anderen hingeben.

 

Beten wir also, dass wir nicht müde werden, Zeugnis zu geben für das Evangelium, auch in Zeiten der Bedrängnis. Alle heiligen Märtyrer und Märtyrerinnen mögen Samen des Friedens und der Versöhnung zwischen den Völkern sein für eine menschlichere und geschwisterlichere Welt, in der Erwartung, dass die Fülle des Himmelreiches offenbar werde, wenn Gott alles in allem sein wird (vgl. 1 Kor 15,28) 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 12. April 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Nachdem wir vor zwei Wochen den persönlichen Elan des heiligen Paulus für das Evangelium betrachtet haben, können wir heute tiefer über den Eifer für das Evangelium nachdenken, so wie er selbst darüber spricht und ihn in einigen seiner Briefe beschreibt.

 

Durch seine eigene Erfahrung ist Paulus sich der Gefahr eines verzerrten, in eine verkehrte Richtung gelenkten Eifers bewusst; dieser Gefahr war er selbst vor seinem von der Vorsehung bestimmten Fall auf dem Weg nach Damaskus erlegen. Manchmal haben wir es mit einem fehlgeleiteten Eifer zu tun, erbittert in der Beachtung rein menschlicher und für die christliche Gemeinde hinfälliger Vorschriften. Der Apostel schreibt: »Jene Leute eifern um euch nicht in guter Absicht« (Gal 4,17).

 

Wir dürfen nicht den Eifer vergessen, mit dem einige falschen Beschäftigungen nachgehen, auch in der christlichen Gemeinde selbst. Man kann sich mit falschem Elan angeblich für das Evangelium einsetzen, während man in Wirklichkeit die Eitelkeit oder die eigenen Überzeugungen oder eine gewisse Eigenliebe verfolgt.

 

Daher wollen wir uns fragen: Was sind für Paulus die Merkmale des wahren Eifers für das Evangelium? Dafür scheint mir der Text nützlich zu sein, den wir eingangs vernommen haben, eine Auflistung von »Waffen«, auf die der Apostel für den geistlichen Kampf verweist. Dazu gehört die Bereitschaft, das Evangelium zu verkünden, von einigen als »Eifer« übersetzt – dieser Mensch ist ein Eiferer, der diese Ideen, diese Dinge voranbringt –, mit dem man sich »beschuhen« soll. Warum? Wieso wird der Eifer für das Evangelium mit dem verbunden, womit man die Füße bekleidet? Diese Metapher greift einen Text des Propheten Jesaja auf, wo es heißt: »Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König« (52,7).

 

Auch hier finden wir die Bezugnahme auf die Füße eines Verkündigers guter Nachrichten. Warum? Weil derjenige, der verkündigen will, sich bewegen muss, unterwegs sein muss! Wir sehen jedoch auch, dass Paulus in jenem Text von der Beschuhung als Teil einer Waffenrüstung spricht, in Analogie zur Ausrüstung eines Soldaten, der in die Schlacht zieht: In den Kämpfen war es wesentlich, einen stabilen Halt zu haben, um Gefahren auf dem Boden zu vermeiden – denn oft übersäte der Gegner das Schlachtfeld mit Fallen – und um die notwendige Kraft zum Laufen zu haben und sich in die richtige Richtung zu bewegen. Die Beschuhung ist also zum Laufen da und um all diese Dinge des Gegners zu vermeiden.

 

Der Eifer für das Evangelium ist der Halt, auf den sich die Verkündigung stützt, und die Verkündiger sind gleichsam die Füße des Leibes Christi, der Kirche. Es gibt keine Verkündigung ohne Bewegung, ohne »Aufbruch«, ohne Initiative. Das heißt, dass Christen immer unterwegs sind. Er ist kein Christ, wenn der Christ nicht aus sich selbst herausgeht, um sich auf den Weg zu machen und eine Botschaft zu bringen. Man verkündet das Evangelium nicht im Stillstand, verschlossen im Büro, am Schreibtisch oder am Computer oder indem man als »Tastaturkrieger« Polemik verbreitet und die Kreativität ersetzt durch das »Kopieren und Einfügen« von Ideen, die man hier und dort zusammensucht. Das Evangelium verkündet man, indem man sich bewegt, unterwegs ist, auf dem Weg ist.

 

Der Begriff, den Paulus gebraucht, um auf die Beschuhung derer zu verweisen, die das Evangelium bringen, ist ein griechisches Wort, das Bereitschaft, Vorbereitung, Eifer bedeutet. Denn an einer anderen Stelle sagt Paulus: »Lasst nicht nach in eurem Eifer, lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn!« (Röm 12,11). Diese Haltung wurde im Buch Exodus verlangt, um das Opfer der Pessachbefreiung zu feiern: »So aber sollt ihr es essen: eure Hüften gegürtet, Schuhe an euren Füßen und euren Stab in eurer Hand. Esst es hastig! Es ist ein Pessach für den Herrn. In dieser Nacht gehe ich durch das Land« (12,11-12a).

 

Ein Verkündiger ist bereit zum Aufbruch, und er weiß, dass der Herr auf überraschende Weise vorübergeht. Er muss also frei sein von vorgefertigten Schemata und bereit zu einem unerwarteten und neuen Handeln: auf Überraschungen vorbereitet. Wer das Evangelium verkündet, darf nicht versteinert sein in Käfige der Plausibilität oder des »Das haben wir immer schon so gemacht«, sondern er ist bereit, einer Weisheit nachzufolgen, die nicht von dieser Welt ist, wie Paulus über sich selbst sagt: »Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes« (1 Kor  2,4-5).

 

So ist es, liebe Brüder und Schwestern: Es ist wichtig, diese Bereitschaft für die Neuheit des Evangeliums zu haben, diese Haltung, die ein Elan ist, die bedeutet, die Initiative zu ergreifen, als erster aufzubrechen. Und sich nicht die Gelegenheiten entgehen zu lassen, die Verkündigung des Evangeliums vom Frieden zu fördern, jenes Friedens, den Christus mehr und besser zu geben versteht, als die Welt ihn gibt. Darum ermahne ich euch, Evangelisierer zu sein, die sich bewegen, ohne Furcht, die vorangehen, um die Schönheit Jesu zu bringen, um die Neuheit Jesu zu bringen, die alles verändert. »Ja, Vater, es ändert sich der Kalender, denn jetzt zählen wir die Jahre vor Jesus…« – »Aber es verändert sich auch das Herz: Bist du bereit, dein Herz von Jesus verändern zu lassen? Oder bist du ein lauer Christ, der sich nicht bewegt?« Denk darüber nach: Bist du von Jesus begeistert, gehst du voran? Denk darüber nach… 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 05. April 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, für die Jünger bedeutete das Kreuz Jesu das Ende all ihrer Hoffnung. Aber gerade vom Kreuz aus schenkt Gott einen neuen Anfang. Dieses Folterwerkzeug wird zum Zeichen der Liebe, der Marterpfahl zum Baum des Lebens. Gott schenkt dort einen neuen Anfang, wo wir am Ende sind. Wenn wir das Kreuz betrachten, sehen wir den Herrn entblößt und verwundet. Während wir Bestätigung in Äußerlichkeiten suchen und bemüht sind, mit ihrer Hilfe den Schein zu wahren, konfrontiert uns der Herr, nackt und bloß, mit der Wahrheit unser selbst. Der Gekreuzigte, dem alles genommen ist, zeigt uns, dass dort neue Hoffnung entsteht, wo wir wieder zum Einfachen, Lauteren und Wesentlichen zurückfinden, wo wir zu Verzicht bereit sind und uns von überflüssigem Ballst befreien. Beim Anblick des Gekreuzigten werden wir sodann auch seiner Wunden gewahr, seiner Verletzungen an Leib und Seele, die am Kreuz ebenfalls zu Zeichen der Hoffnung werden, weil der Herr seine Peiniger dennoch liebt und ihnen vergibt. So verwandelt er Böses in Gutes und Schmerz in Liebe. Angesichts unserer eigenen Verletzungen lädt er uns ein, mit den Anderen wirklich Mitleid zu empfinden und ihnen beizustehen. Solche selbstlose Liebe bringt Heil – uns und den anderen – und schenkt österliche Hoffnung.

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 29. März 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, im Zuge unserer Katechesen über die Leidenschaft für das Evangelium blicken wir in dieser und der kommenden Woche auf das Beispiel des heiligen Apostels Paulus. Ursprünglich war Saulus, wie er damals noch hieß, ein Eiferer für das jüdische Gesetz gewesen, der die junge Kirche nach Kräften zu vernichten suchte. Die persönliche Begegnung mit dem auferstandenen Herrn jedoch verändert alles in seinem Leben und führt dazu, dass aus dem Christenverfolger Saulus der ebenso glühende und kraftvolle Völkerapostel Paulus wird, der das Evangelium Christi in der ganzen Welt verkünden und entscheidend zum Aufbau der Kirche beitragen sollte. „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17). Diese Wandlung, die Paulus hier beschreibt, ist der Ursprung jeden apostolischen Eifers. Dieser entspringt nicht dem Studium oder anderen tiefen Einsichten und geschieht auch nicht aus eigener Initiative. Der entscheidende Impuls für die Hingabe um des Evangeliums willen ist die Erfahrung der Liebe Gottes. Durch sie erleben wir wie Paulus Barmherzigkeit und Vergebung und werden so selbst zu dieser Liebe fähig, die unsere Verkündigung glaubwürdig macht.

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 22. März 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, der erste Weg der Evangelisierung ist das Zeugnisgeben. Der heilige Papst Paul VI. lehrt in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi: Evangelisierung meint zuerst das Zeugnis aus der persönlichen Begegnung mit Jesus Christus. Man darf sich daher nicht darauf beschränken, fertige Antworten einfach mitzuteilen, denn „der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen, als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“ (EN, 41). Zu diesem Zeugnis gehört freilich das Bekenntnis unseres Glaubens an den dreifaltigen Gott, der uns aus Liebe erschaffen und erlöst hat. Durch die Taufe sind wir „seiner göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden“ (Lumen gentium, 40). Aus dem göttlichen Leben in uns, aus der Heiligkeit also, nach der wir persönlich streben müssen, entspringt die Evangelisierung. Daher muss die Kirche auch „sich selbst evangelisieren“ und „vernehmen, was sie glauben muss, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist“ (EN, 15). Indem sie auf diese Weise den Weg der Umkehr zu Gott geht, ist sie zugleich ganz dem Heil der Menschen zugewandt und kann die Wahrheit des Evangeliums immer neu verkünden.

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 15. März 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, in unserer aktuellen Katechesenreihe geht es um den apostolischen Eifer bei der Verkündigung des Evangeliums. Das Wort „apostolisch“ lässt uns zunächst an die zwölf Apostel denken, die Jesus berufen hatte, bei ihm zu sein und ihm nachzufolgen – und die er dann schließlich, ausgestattet mit der Gabe des Heiligen Geistes, aussandte, allen die frohe Botschaft zu verkünden.  Wenn die Kirche im Glaubensbekenntnis „apostolisch“ genannt wird, bedeutet das, dass wir alle teilhaben an dieser Berufung und Sendung der Apostel. Und so sagt das Zweite Vatikanische Konzil: „Die christliche Berufung […] ist ihrem Wesen nach auch eine Berufung zum Apostolat“ (Dekret Apostolicam actuositatem, 2). Wir haben eine gemeinsame Sendung, die sich jedoch in verschiedenen Ämtern und Diensten vollzieht. „Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi (Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 32). Alle sind wir eingeladen, immer tiefer zu ergründen, auf welche Art und Weise wir Apostel in einer apostolischen Kirche sein können.

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 8. März 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, das Zweite Vatikanische Konzil betont, dass die Verkündigung des Evangeliums stets ein gemeinschaftlich-kirchlicher Akt ist. Der Verkündiger gibt das weiter, was er selbst empfangen hat. Diese kirchliche Dynamik garantiert die Echtheit der christlichen Botschaft. Außerdem bewahrt sie vor der Versuchung, alleine voranzugehen oder einfachere pseudo-kirchliche Wege beschreiten zu wollen, der weltlichen Logik der Zahlen und Meinungsumfragen zu folgen sowie zu sehr auf Strukturen und Programme zu setzen. Im Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad Gentes ruft uns das Konzil in Erinnerung, dass die Liebe Gottes des Vaters jedem Menschen gilt und alle berufen sind, an seinem Leben und an seiner Herrlichkeit teilzuhaben. Dies geschieht durch die Sendung des Sohnes, Jesu Christi, des Erlösers, sowie durch die Sendung des Heiligen Geistes. Die Kirche setzt die Sendung Jesu fort, indem sie „den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin“ (5) geht. Jeder Getaufte hat an dieser Sendung der Kirche Anteil und so sind wir alle eingeladen, kreativ zu werden, um den Menschen unserer Zeit in Wort und Tat das Geschenk des Glaubens zu bezeugen.

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 22. Februar 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag und herzlich willkommen!

 

In unserer Katechesereihe über die Leidenschaft für die Evangelisierung beginnen wir heute bei den Worten Jesu, die wir gehört haben: »Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« (Mt  28,19). Geht – sagt der Auferstandene –, nicht um zu indoktrinieren, und nicht, um Proselyten zu machen, nein, um Menschen zu Jüngern zu machen, also jedem die Möglichkeit zu geben, mit Jesus in Kontakt zu treten, ihn kennenzulernen und ihn aus freiem Willen zu lieben. Geht hin und tauft. Taufen bedeutet eintauchen. Noch vor einem liturgischen Handeln bringt es ein existentielles Handeln zum Ausdruck: das eigene Leben in den Vater, in den Sohn, in den Heiligen Geist einzutauchen; jeden Tag die Freude über die Gegenwart Gottes zu spüren, der uns nahe ist als Vater, als Bruder, als Heiliger Geist, der in uns wirkt, in unserem eigenen Geist. Taufen bedeutet, in die Dreifaltigkeit einzutauchen.

 

Wenn Jesus zu seinen Jüngern – und auch zu uns – sagt: »Geht!«, dann übermittelt er nicht nur ein Wort. Nein. Er übermittelt auch den Heiligen Geist, denn nur durch ihn, den Heiligen Geist, kann man die Sendung Christi empfangen und sie voranbringen (vgl. Joh 20,21-22). Denn die Apostel bleiben aus Furcht im Abendmahlssaal verschlossen, bis der Pfingsttag kommt und der Heilige Geist auf sie herabkommt (vgl. Apg  2,1-13). Und in diesem Augenblick verschwindet die Furcht, und mit seiner Kraft werden jene Fischer, größtenteils ungebildet, die Welt verändern. »Aber wenn sie nicht zu sprechen verstehen…« Es ist jedoch das Wort des Heiligen Geistes, die Kraft des Heiligen Geistes, die sie voranbringt, um die Welt zu verändern. Die Verkündigung des Evangeliums findet also nur in der Kraft des Heiligen Geistes statt, der den Missionaren vorangeht und die Herzen vorbereitet: Er ist »die Antriebskraft der Evangelisierung«.

 

Das entdecken wir in der Apostelgeschichte, wo man auf jeder Seite sieht, dass der Protagonist der Verkündigung nicht Petrus, Paulus, Stephanus oder Philippus ist, sondern der Heilige Geist. Ebenfalls in der Apostelgeschichte wird von einem neuralgischen Moment der Anfänge der Kirche berichtet, der auch uns viel sagen kann. Damals wie heute fehlte es zusammen mit den Tröstungen nicht an Nöten – schöne und nicht so schöne Augenblicke –, waren Freuden von Sorgen begleitet, beides. Insbesondere eine Sache: Wie sollte man mit den Heiden umgehen, die zum Glauben kamen, mit denen, die nicht dem jüdischen Volk angehörten, zum Beispiel. Waren sie verpflichtet, die Vorschriften des mosaischen Gesetzes zu befolgen, oder nicht? Das war keine unerhebliche Frage für diese Menschen. So bildeten sich zwei Gruppen: Einige hielten die Befolgung des Gesetzes für unverzichtbar, und andere hielten sie nicht für unverzichtbar. Um zu einer Entscheidung zu gelangen, versammeln sich die Apostel zu dem, was als das »Apostelkonzil« bezeichnet wird, das erste der Geschichte. Wie sollte man das Problem lösen? Man hätte einen guten Kompromiss zwischen Tradition und Erneuerung finden können: Einige Vorschriften werden befolgt und andere beiseitegelassen. Aber die Apostel folgen nicht dieser menschlichen Weisheit, um ein diplomatisches Gleichgewicht zwischen der einen und der anderen Meinung zu suchen, sie folgen nicht diesem Weg, sondern sie passen sich dem Wirken des Heiligen Geistes an, der ihnen vorangegangen war, indem er auf die Heiden herabgekommen war, wie auf sie selbst.

 

Und so nehmen sie fast alle mit dem Gesetz verbundenen Verpflichtungen hinweg und teilen die endgültigen Entscheidungen, die getroffen wurden, mit, indem sie schreiben: Aus dem Heiligen Geist und aus uns (vgl. Apg 15,28) ist das hervorgegangen, der Heilige Geist mit uns, so handeln die Apostel immer. Gemeinsam, ohne sich aufzuspalten, obgleich sie unterschiedliche Sensibilitäten und Meinungen haben, hören sie auf den Heiligen Geist. Und er lehrt etwas, das auch heute gilt: Jede religiöse Tradition ist nützlich, wenn sie die Begegnung mit Jesus begünstigt, jede religiöse Tradition ist nützlich, wenn sie die Begegnung mit Jesus begünstigt. Wir könnten sagen, dass die historische Entscheidung des ersten Konzils, aus der auch wir Nutzen ziehen, von einem Prinzip bewegt war, dem Prinzip der Verkündigung: In der Kirche wird alles an die Bedürfnisse der Verkündigung des Evangeliums angepasst; nicht an die Meinungen von Konservativen oder Progressiven, sondern daran, dass Jesus das Leben der Menschen erreichen soll. Daher ist jede Entscheidung, jeder Brauch, jene Struktur, jede Tradition daran zu bewerten, in welchem Maße sie die Verkündigung Christi fördert. Wenn man in der Kirche Entscheidungen findet, zum Beispiel ideologische Spaltungen: »Ich bin konservativ, weil… ich bin progressiv, weil…« Wo ist da der Heilige Geist? Gebt acht, das Evangelium ist keine Idee, das Evangelium ist keine Ideologie: Das Evangelium ist eine Botschaft, die das Herz berührt und die dein Herz verwandelt, aber wenn du dich in eine Idee flüchtest, in eine Ideologie – sei sie von rechts oder von links oder aus der Mitte –, dann machst du aus dem Evangelium eine politische Partei, eine Ideologie, einen menschlichen Club. Das Evangelium gibt dir immer diese Freiheit des Geistes, der in dir wirkt und dich voranbringt. Und wie wichtig ist es heute, die Freiheit des Evangeliums in die Hand zu nehmen und uns vom Geist voranbringen zu lassen.

 

So bringt der Heilige Geist Licht auf den Weg der Kirche, immer. Denn er ist nicht nur das Licht der Herzen, sondern das Licht, das der Kirche Orientierung schenkt: Er gibt Klarheit, er hilft zu unterscheiden, er hilft, Entscheidungen zu treffen. Daher muss man ihn oft anrufen; tun wir es auch heute, am Beginn der Fastenzeit. Denn als Kirche können wir klar definierte Zeiten und Räume, gut organisierte Gemeinschaften, Institute und Bewegungen haben, aber ohne den Heiligen Geist bleibt alles seelenlos. Organisation genügt nicht: Der Geist ist es, der der Kirche Leben schenkt. Wenn die Kirche nicht zu ihm betet und ihn anruft, dann verschließt sie sich in sich selbst, in unfruchtbare und ermüdende Debatten, in zermürbende Polarisierungen, während die Flamme der Sendung erlischt. Es ist sehr traurig, die Kirche so zu betrachten als wäre sie ein Parlament; nein, die Kirche ist etwas anderes. Die Kirche ist eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die glauben und Jesus Christus verkündigen, aber bewegt vom Heiligen Geist, nicht von den eigenen Meinungen. Ja, man gebraucht den Verstand, aber der Heilige Geist kommt, um ihn zu erleuchten und zu bewegen, der Heilige Geist lässt uns aufbrechen, er drängt uns, den Glauben zu verkündigen, um uns im Glauben zu stärken, er drängt uns, in die Mission zu gehen, um neu zu entdecken, wer wir sind. Daher mahnt der Apostel Paulus: »Löscht den Geist nicht aus!« (1 Thess 5,19), löscht den Geist nicht aus. Beten wir oft zum Heiligen Geist, rufen wir ihn an, bitten wir ihn jeden Tag, sein Licht in uns zu entzünden. Tun wir das vor jeder Begegnung, um Apostel Jesu zu werden für die Menschen, denen wir begegnen. Man darf den Geist nicht auslöschen in den christlichen Gemeinden und in einem jeden von uns.

 

Liebe Brüder und Schwestern, beginnen wir als Kirche beim Heiligen Geist und beginnen dort immer wieder neu. »Es ist zweifellos wichtig, bei unseren Pastoralplänen von soziologischen Umfragen, Analysen, von all den aufgelisteten Schwierigkeiten, Erwartungen und Klagen auszugehen. Aber noch viel wichtiger ist es, von den Erfahrungen des Heiligen Geistes auszugehen: Das ist der wahre Ausgangspunkt. Daher muss man sie suchen, auflisten, untersuchen, interpretieren. Es ist ein Grundprinzip, das im geistlichen Leben als der Vorrang des Trostes vor der Verzweiflung bezeichnet wird. Zuerst ist der Heilige Geist da, der tröstet, beseelt, erleuchtet, bewegt; dann wird auch Trostlosigkeit, Leiden, Dunkelheit kommen, aber das Prinzip, um sich in der Dunkelheit zu orientieren, ist das Licht des Heiligen Geistes« (C. M. Martini, Evangelizzare nella consolazione dello Spirito, 25. September 1997). Das ist das Prinzip, um sich in den Dingen zu orientieren, die man nicht versteht, in der Verwirrtheit, auch in vielen Situationen der Dunkelheit, das ist wichtig. Versuchen wir, uns zu fragen, ob wir uns öffnen für dieses Licht, ob wir ihm Raum geben: Rufe ich den Heiligen Geist an? Jeder möge innerlich für sich antworten. Wer von uns betet zum Heiligen Geist? »Nein, Vater, ich bete zur Gottesmutter, ich bete zu den Heiligen, ich bete zu Jesus, und manchmal bete ich das Vater-unser, bete ich zum Vater« – »Und der Heilige Geist? Betest du nicht zum Heiligen Geist, der dein Herz bewegt, der dich voranbringt, der dir Trost schenkt, der deinen Willen zu evangelisieren und zu missionieren voranbringt?« Ich lasse euch diese Frage zurück: Bete ich zum Heiligen Geist? Lasse ich mir von ihm Orientierung schenken, der mich einlädt, mich nicht zu verschließen, sondern Jesus zu bringen, den Vorrang von Gottes Trost über die Trostlosigkeit der Welt zu bezeugen? Die Gottesmutter, die das gut verstanden hat, möge es uns verstehen lassen. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 15. Februar 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Wir setzen unsere Katechesen fort; das Thema, das wir gewählt haben, lautet: »Die Leidenschaft für die Evangelisierung, der apostolische Eifer«. Denn Evangelisieren bedeutet nicht zu sagen: »Schau, bla, bla, bla«, und sonst nichts; es ist eine Leidenschaft, die dich ganz einbezieht: den Verstand, das Herz, die Hände, das Unterwegssein… alles, der ganze Mensch ist in diese Verkündigung des Evangeliums einbezogen, und darum sprechen wir von der Leidenschaft für die Evangelisierung. Nachdem wir in Jesus das Vorbild und den Meister der Verkündigung betrachtet haben, gehen wir heute über zu den ersten Jüngern, zu dem, was die Jünger getan haben. Im Evangelium heißt es: Jesus »setzte zwölf ein« – die er Apostel nannte –, »damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden« (Mk 3,14). Zwei Dinge: damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden. Ein Aspekt scheint widersprüchlich zu sein: Er ruft sie, damit sie mit ihm seien und damit sie hinausgehen, um zu verkünden. Man möchte fast sagen: entweder das Eine oder das Andere, entweder bleiben oder hinausgehen. Aber nein: Für Jesus gibt es kein Hinausgehen ohne Bleiben und kein Bleiben ohne Hinausgehen. Es ist nicht leicht, das zu verstehen, aber es ist so. Versuchen wir, etwas besser zu verstehen, in welchem Sinne Jesus diese Dinge sagt.

 

Zunächst einmal gibt es kein Hinausgehen ohne Bleiben: Bevor er die Jünger aussendet, ruft Christus – wie es im Evangelium heißt – die Jünger zu sich (vgl. Mt 10,1). Die Verkündigung entsteht aus der Begegnung mit dem Herrn; alles christliche Handeln, vor allem die Sendung, beginnt dort. Man erlernt sie nicht an einer Akademie: nein! Sie beginnt bei der Begegnung mit dem Herrn. Denn ihn zu bezeugen bedeutet, ihn auszustrahlen; aber wenn wir sein Licht nicht empfangen, dann erlöschen wir; wenn wir nicht immer wieder zu ihm gehen, dann bringen wir nicht ihn, sondern uns selbst – ich bringe mich und nicht ihn –, und alles ist umsonst. Das Evangelium Jesu kann also nur derjenige bringen, der bei ihm ist. Jemand, der nicht bei ihm ist, kann das Evangelium nicht bringen. Er bringt vielleicht Ideen, aber nicht das Evangelium. Ebenso gibt es jedoch auch kein Bleiben ohne Hinausgehen. Denn Christus nachzufolgen ist nichts rein Innerliches: Ohne Verkündigung, ohne Dienst, ohne Sendung wächst die Beziehung zu Jesus nicht. Wir sehen, dass der Herr im Evangelium die Jünger aussendet, bevor er ihre Vorbereitung abgeschlossen hat: Gleich nachdem er sie berufen hat, sendet er sie schon aus! Das bedeutet, dass die Erfahrung der Sendung zur christlichen Ausbildung gehört. Behalten wir also diese beiden grundlegenden Augenblicke für jeden Jünger im Hinterkopf: bei Jesus sein und hinausgehen, von Jesus gesandt.

 

Nachdem er die Jünger zu sich gerufen hat und bevor er sie aussendet, richtet Christus eine Rede an sie, die als »Aussendungsrede« bekannt ist – so heißt sie im Evangelium. Sie befindet sich in Kapitel 10 des Evangeliums nach Matthäus und ist gleichsam die »Verfassung« der Verkündigung. Dieser Rede – ich empfehle euch, sie heute zu lesen, es ist nur eine einzige Seite des Evangeliums – entnehme ich drei Aspekte: warum man verkündigen, was man verkündigen und wie man verkündigen soll.

 

Warum man verkündigen soll. Die Begründung liegt in acht Worten Jesu, an die wir uns stets erinnern sollten: »Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben« (V. 8). Es sind acht Wörter. Warum soll man denn verkündigen? Weil ich umsonst empfangen habe und umsonst geben soll. Die Verkündigung geht nicht von uns aus, sondern von der Schönheit dessen, was wir umsonst, ohne Verdienst empfangen haben: Jesus zu begegnen, ihn kennenzulernen, zu entdecken, dass wir geliebt und gerettet sind. Es ist ein so großes Geschenk, dass wir es nicht für uns behalten können, sondern das Bedürfnis verspüren, es zu verbreiten; aber im selben Stil, also in der Unentgeltlichkeit. Mit anderen Worten: Wir haben ein Geschenk, daher sind wir aufgerufen, uns zum Geschenk zu machen; wir haben ein Geschenk empfangen, und unsere Berufung ist es, uns selbst zum Geschenk für die anderen zu machen; wir haben in uns die Freude, Kinder Gottes zu sein, die geteilt werden muss mit den Brüdern und Schwestern, die es noch nicht wissen! Das ist das Warum der Verkündigung. Hinauszugehen und die Freude über das zu bringen, was wir empfangen haben.

 

Zweitens: Was soll man also verkündigen? Jesus sagt: »Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!« (V. 7). Das ist es, was gesagt werden soll, vor allem und in allem: Gott ist nahe. Aber vergesst das nie: Gott war seinem Volk immer nahe, er selbst hat es zum Volk gesagt. Er hat gesagt: »Schaut, welcher Gott ist den Völkern so nahe wie ich euch nahe bin?« Die Nähe ist eines der wichtigsten Dinge Gottes. Drei Dinge sind wichtig: Nähe, Barmherzigkeit und Zärtlichkeit. Vergesst das nicht. Wer ist Gott? Der Nahe, der Zärtliche, der Barmherzige. Das ist Gottes Wirklichkeit. Wenn wir verkündigen, laden wir die Menschen oft ein, etwas zu tun, und das ist gut; aber wir dürfen nicht vergessen, dass die wichtigste Botschaft darin besteht, dass Gott nahe ist: Nähe, Barmherzigkeit und Zärtlichkeit. Die Liebe Gottes anzunehmen ist schwerer, weil wir immer im Mittelpunkt stehen wollen, Protagonisten sein wollen, mehr dazu neigen, etwas zu tun, als uns formen zu lassen, zu reden als zuzuhören. Wenn an erster Stelle das steht, was wir tun, dann werden die Protagonisten immer wir selbst sein. Die Verkündigung dagegen muss Gott den Vorrang geben: Gott den Vorrang geben, Gott an erster Stelle, und den anderen die Möglichkeit geben, ihn anzunehmen, zu merken, dass er nahe ist. Und ich dahinter.

 

Dritter Punkt: Wie man verkündigen soll. Über diesen Aspekt sagt Jesus am meisten: wie man verkündigen soll, was die Methode ist, welche Sprache für die Verkündigung gebraucht werden soll. Das ist bedeutsam: Er sagt uns, dass die Form, der Stil wesentlich ist beim Zeugnis. Das Zeugnis bezieht nicht nur den Verstand ein, und es geht nicht nur darum, etwas zu sagen, Konzepte: nein. Es bezieht alles ein, den Verstand, das Herz, die Hände, alles, die drei Sprachen des Menschen: die Sprache des Denkens, die Sprache des Fühlens und die Sprache des Werkes. Die drei Sprachen. Man kann nicht nur mit dem Verstand oder nur mit dem Herzen oder nur mit den Händen evangelisieren. Alles ist einbezogen. Und beim Stil ist das Wichtige das Zeugnis, wie Jesus uns will. Er sagt: »Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe« (V. 16). Er verlangt nicht von uns, dass wir in der Lage sind, uns mit den Wölfen auseinanderzusetzen, also zu argumentieren, zu widersprechen und uns zu verteidigen: nein. Wir würden so denken: Werden wir relevant, zahlreich, renommiert, und die Welt wird uns hören und uns achten, und wir werden die Wölfe besiegen: nein, so ist es nicht. Nein, ich sende euch wie Schafe, wie Lämmer – das ist wichtig. Wenn du kein Schaf sein willst, wird der Herr dich nicht vor den Wölfen verteidigen. Sieh zu, wie du zurechtkommst. Wenn du aber Schaf bist, dann kannst du sicher sein, dass der Herr dich vor den Wölfen verteidigen wird. Demütig sein. Er bittet uns, so zu sein, sanftmütig zu sein, unschuldig sein zu wollen, opferbereit zu sein. Denn dafür steht das Lamm: Sanftmut, Hingabe, Zärtlichkeit. Und er, der Hirt, wird seine Lämmer erkennen und sie vor den Wölfen schützen. Die als Wölfe verkleideten Lämmer dagegen werden entlarvt und zerfleischt. Ein Kirchenvater schrieb: »Solange wir Lämmer sind, siegen wir. Mögen auch unzählige Wölfe uns umgeben, wir siegen doch und gewinnen die Oberhand. Wenn wir dagegen selbst zu Wölfen werden, unterliegen wir; es fehlt uns dann eben die Hilfe des Hirten. Er weidet ja nicht Wölfe, sondern Schafe« (hl. Johannes Chrysostomus, 33. Homilie über das Matthäusevangelium). Wenn ich zum Herrn gehören will, dann muss ich ihn meinen Hirten sein lassen. Und er ist nicht der Hirt der Wölfe, er ist der Hirt der Lämmer, die sanftmütig, demütig, lieb mit dem Herrn sind.

 

Ebenfalls in Bezug auf das »Wie« der Verkündigung fällt auf, dass Jesus nicht vorschreibt, was man in die Sendung mitnehmen soll, sondern sagt, was man nicht mitnehmen soll. Manchmal sieht man einen Apostel, einen Menschen, der umzieht, einen Christen, der sagt, er sei ein Apostel und habe das Leben dem Herrn geschenkt, der viel Gepäck mitnimmt: Aber das ist nicht des Herrn, der Herr macht deine Ausrüstung leicht und sagt, was man nicht mitnehmen soll: »Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel! Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab« (V. 9-10). Nichts mitnehmen. Er sagt, man soll sich nicht auf materielle Sicherheiten stützen, man soll in die Welt gehen ohne Weltlichkeit. Das ist es, was man sagen soll: Ich gehe zur Welt nicht mit dem Stil der Welt, nicht mit den Werten der Welt, nicht mit der Weltlichkeit – denn in die Weltlichkeit zu verfallen ist für die Kirche das Schlimmste, was passieren kann. Ich gehe hin mit Einfachheit. So verkündigt man: mehr indem man Jesus zeigt, als dass man über Jesus spricht. Und wie zeigen wir Jesus? Mit unserem Zeugnis. Und schließlich, indem wir gemeinsam unterwegs sind, in Gemeinschaft: Der Herr sendet alle Jünger aus, aber keiner geht allein. Die ganze apostolische Kirche ist missionarisch, und in der Sendung findet sie ihre Einheit. Also: Sanftmütig und gut wie Lämmer hinausgehen, ohne Weltlichkeit, und gemeinsam hinausgehen. Hier liegt der Schlüssel der Verkündigung, das ist der Schlüssel des Erfolgs der Evangelisierung. Nehmen wir diese Einladungen Jesu an: Mögen seine Worte stets unser Bezugspunkt sein. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 8. Februar 2023

 

guten Tag!

 

In der vergangenen Woche habe ich zwei afrikanische Länder besucht: die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan. Ich danke Gott, dass er es mir gestattet hat, diese langersehnte Reise durchzuführen. Zwei »Träume«: das kongolesische Volk zu besuchen, Hüter eines riesigen Landes, der grünen Lunge Afrikas, die zusammen mit dem Amazonasgebiet die beiden Lungen der Welt bildet. Ein Land, das reich ist an Bodenschätzen und mit Blut überzogen von einem Krieg, der nie endet, weil es immer jemanden gibt, der das Feuer schürt. Und das sudanesische Volk zu besuchen, in einer Pilgerreise des Friedens zusammen mit dem Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, und dem Moderator der Generalversammlung der Kirche von Schottland, Iain Greenshields: Wir haben uns gemeinsam dorthin begeben, um zu bezeugen, dass es möglich und geboten ist, in der Vielfalt zusammenzuarbeiten, besonders wenn man den Glauben an Jesus Christus miteinander teilt.

 

In den ersten drei Tagen war ich in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Ich bringe dem Präsidenten und den anderen Autoritäten des Landes erneut meine Dankbarkeit für die mir entgegengebrachte Aufnahme zum Ausdruck. Gleich nach meiner Ankunft, im Präsidentenpalast, konnte ich die Botschaft an die Nation richten: Der Kongo ist wie ein Diamant, was seine Natur, seine Bodenschätze, vor allem seine Menschen betrifft; aber dieser Diamant ist zum Grund von Streit, Gewalt und paradoxerweise der Verarmung des Volkes geworden. Dieser Dynamik begegnet man auch in anderen afrikanischen Regionen, sie gilt allgemein für jenen Kontinent: ein kolonialisierter, ausgebeuteter, geplünderter Kontinent. Angesichts all dessen habe ich zwei Worte gesagt. Das erste ist negativ: »Hört auf!«, hört auf, Afrika auszubeuten! Ich habe schon mehrmals gesagt, dass »Afrika ist zum Ausbeuten da« im kollektiven Unterbewusstsein vorhanden ist: Hört auf damit! Das habe ich gesagt. Das zweite ist positiv: »zusammen«, zusammen mit Würde, alle zusammen, in gegenseitiger Achtung, zusammen vorangehen im Namen Christi, unserer Hoffnung. Nicht ausbeuten und zusammen vorangehen.

 

Und im Namen Christi haben wir uns in der großen Eucharistiefeier versammelt.

 

Ebenfalls in Kinshasa haben dann die verschiedenen Begegnungen stattgefunden: die Begegnung mit den Opfern von Gewalt im Osten des Landes, der Region, die seit Jahren zerrissen ist vom Krieg zwischen bewaffneten Gruppen, die von wirtschaftlichen und politischen Interessen gesteuert sind. Ich konnte nicht nach Goma reisen. Die Menschen leben in Angst und Unsicherheit, geopfert auf dem Altar illegaler Geschäfte. Ich habe die erschütternden Zeugnisse einiger Opfer, besonders Frauen, gehört, die Waffen und andere Werkzeuge des Todes unter dem Kreuz abgelegt haben. Mit ihnen habe ich »Nein« zu Gewalt, »Nein« zu Resignation, »Ja« zu Versöhnung und Frieden gesagt. Sie haben viel gelitten und leiden auch weiterhin.

 

Dann bin ich den Vertretern verschiedener karitativer Hilfswerke begegnet, die im Land anwesend sind, um ihnen zu danken und sie zu ermutigen. Ihre Arbeit mit den Armen und für die Armen macht keinen Lärm, aber sie lässt Tag für Tag das Gemeinwohl wachsen. Und zwar vor allem durch Förderung: Karitative Initiativen müssen immer in erster Linie zur Förderung da sein, nicht nur für die Wohlfahrt, sondern zur Förderung. Wohlfahrt ja, aber vor allem Förderung.

 

Ein mitreißender Augenblick war der mit den kongolesischen Jugendlichen und Katechisten im Stadion. Es war gleichsam ein Eintauchen in die Gegenwart, auf die Zukunft ausgerichtet. Denken wir an die Kraft der Erneuerung, die jene neue Generation von Christen, gebildet und von der Freude des Evangeliums beseelt, bringen kann! Ihnen, den jungen Menschen, habe ich fünf Wege aufgezeigt: das Gebet, die Gemeinschaft, die Ehrlichkeit, die Vergebung und den Dienst. Zu den Jugendlichen des Kongo habe ich gesagt: Das ist euer Weg: Gebet, Gemeinschaftsleben, Ehrlichkeit, Vergebung und Dienst. Der Herr erhöre ihren Schrei, der um Frieden und Gerechtigkeit fleht.

 

Dann bin ich in der Kathedrale von Kinshasa den Priestern, den Diakonen, den gottgeweihten Männern und Frauen und den Seminaristen begegnet. Es sind viele, und sie sind jung, denn es gibt zahlreiche Berufungen: Es ist eine Gnade Gottes. Ich habe sie ermahnt, Diener des Volkes als Zeugen der Liebe Christi zu sein und drei Versuchungen zu überwinden: die geistliche Mittelmäßigkeit, die weltliche Bequemlichkeit und die Oberflächlichkeit. Es sind – so würde ich sagen – universale Versuchungen für Seminaristen und Priester. Ganz sicher ist die geistliche Mittelmäßigkeit, wenn ein Priester in Mittelmäßigkeit verfällt, traurig; die weltliche Bequemlichkeit, also die Weltlichkeit, ist eines der schlimmsten Übel, die der Kirche zustoßen können; und die Oberflächlichkeit. Abschließend habe ich mit den kongolesischen Bischöfen über die Freude und Mühen des Hirtendienstes gesprochen. Ich habe sie eingeladen, sich von der Nähe Gottes trösten zu lassen und Propheten für das Volk zu sein, in der Kraft des Wortes Gottes, Zeichen dafür zu sein, wie der Herr ist, für die Haltung, die der Herr uns entgegenbringt: Barmherzigkeit, Nähe und Zärtlichkeit. Es sind drei Weisen wie der Herr mit uns umgeht: Er kommt uns nahe – die Nähe – mit Barmherzigkeit und mit Zärtlichkeit. Darum habe ich die Priester und die Bischöfe gebeten.

 

Der zweite Teil der Reise fand dann in Juba statt, der Hauptstadt des Südsudan, eines 2011 entstandenen Staates. Dieser Besuch hatte eine ganz besondere Gestalt, die zum Ausdruck gebracht wurde durch das Motto, das die Worte Jesu aufgriff: »Ich bete, dass sie alle eins sein mögen« (vgl. Joh 17,21). Denn es handelte sich um eine ökumenische Pilgerreise des Friedens, durchgeführt zusammen mit den Oberhäuptern zweier Kirchen, die historisch in jenem Land anwesend sind: der Anglikanischen Gemeinschaft und der Kirche von Schottland. Es war der Zielpunkt eines Weges, der vor einigen Jahren begonnen hat und der uns 2019 in Rom versammelt sah, mit den südsudanesischen Autoritäten, um uns zu verpflichten, den Konflikt zu überwinden und den Frieden aufzubauen. 2019 fand hier in der Kurie eine zweitägige geistliche Einkehr statt, mit all diesen Politikern, mit all diesen Menschen, die Posten anstreben, einige untereinander verfeindet, aber alle waren bei der Einkehr dabei. Und das hat Kraft gegeben, um voranzugehen. Leider ist der Versöhnungsprozess nicht sehr weit vorangekommen, und der neuentstandene Südsudan ist Opfer der alten Logik der Macht, der Rivalität, die Krieg, Gewalt, Vertriebene und Binnenflüchtlinge hervorbringt. Ich danke dem Herrn Präsidenten sehr für die Aufnahme, die er uns gewährt hat, und dafür, wie er versucht, diesen durchaus nicht einfachen Weg zu gestalten, um »Nein« zu sagen zu Korruption und Waffenhandel und »Ja« zu Begegnung und Dialog. Und das ist beschämend: Viele sogenannte zivilisierte Länder bieten dem Südsudan Hilfe an, und die Hilfe besteht aus Waffen, Waffen, Waffen, um den Krieg zu schüren. Das ist eine Schande. Und ja, man muss vorangehen und »Nein« sagen zu Korruption und Waffenhandel und »Ja« zu Begegnung und Dialog. Nur so kann es Entwicklung geben, können die Menschen in Frieden arbeiten, die Kranken geheilt werden, die Kinder zur Schule gehen.

 

Der ökumenische Charakter des Besuchs im Südsudan ist insbesondere im Augenblick des Gebets zum Ausdruck gekommen, das wir zusammen mit den anglikanischen Brüdern und Schwestern sowie mit denen der Kirche von Schottland gefeiert haben. Gemeinsam haben wir das Wort Gottes gehört, gemeinsam haben wir Lobpreis, Bittgebete und Fürbitten an ihn gerichtet. In einer stark konfliktgeladenen Wirklichkeit wie der südsudanesischen ist dieses Zeichen grundlegend, nicht selbstverständlich, denn leider gibt es Menschen, die den Namen Gottes missbrauchen, um Gewaltakte und Übergriffe zu rechtfertigen.

 

Brüder und Schwestern, der Südsudan ist ein Land mit etwa elf Millionen Einwohnern – ein kleines Land! –, von denen aufgrund der bewaffneten Konflikte zwei Millionen Binnenflüchtlinge sind und ebenso viele in angrenzende Länder vertrieben wurden. Da-rum wollte ich einer großen Gruppe von Binnenflüchtlingen begegnen, sie anhören und sie die Nähe der Kirche spüren lassen. Tatsächlich stehen die Kirchen und die christlich inspirierten Organisationen an vorderster Front an der Seite dieser armen Menschen, die seit Jahren in den Flüchtlingscamps leben. Insbesondere habe ich mich an die Frauen gerichtet – es gibt dort tüchtige Frauen –, die die Kraft sind, die das Land verändern kann; und ich habe alle ermutigt, Samen eines neuen Südsudan zu sein, ohne Gewalt, versöhnt und befriedet.

 

Dann haben wir in der Begegnung mit den Hirten und den gottgeweihten Personen jener Ortskirche auf Mose geschaut, als Vorbild der Fügsamkeit gegenüber Gott und der Beharrlichkeit in der Fürsprache.

 

Und in der Eucharistiefeier, dem letzten Akt der Reise in den Südsudan und auch der ganzen Reise, habe ich mich zum Sprachrohr des Evangeliums gemacht und die Christen ermutigt, »Salz und Licht« in jenem so gequälten Land zu sein. Gott legt seine Hoffnung nicht in die Großen und Mächtigen, sondern in die Kleinen und Demütigen. So geht Gott vor.

 

Ich danke den Autoritäten des Südsudan, dem Herrn Präsidenten, den Organisatoren der Reisen und all jenen, die sich darum bemüht und dafür gearbeitet haben, dass die Reise gut verläuft. Ich danke meinen Brüdern Justin Welby und Iain Greenshields, dass sie mich auf dieser ökumenischen Reise begleitet haben.

 

Beten wir dafür, dass in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan sowie in ganz Afrika die Samen seines Reiches der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens gedeihen mögen.

 

                                                                                * * *

 

Von Herzen grüße ich die Pilger deutscher Sprache. Heute begeht die Kirche den Gedenktag der sudanesischen Heiligen Josefine Bakhita, deren Lebenszeugnis uns mit christlicher Hoffnung erfüllt. Beten wir im Vertrauen auf ihre Fürsprache für unsere Brüder und Schwestern in Afrika um eine gerechte und friedvolle Zukunft. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 25. Januar 2023

 

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Am vergangenen Mittwoch haben wir über Jesus als Vorbild der Verkündigung nachgedacht, über sein pastorales Herz, das immer auf die anderen ausgerichtet ist. Heute betrachten wir ihn als Lehrmeister der Verkündigung. Lassen wir uns leiten von der Episode, in der er in der Synagoge seines Heimatortes Nazaret predigt. Jesus liest einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja  (vgl. 61,1-2), und dann überrascht er alle mit einer sehr kurzen »Predigt«, die nur aus einem Satz besteht, einem einzigen Satz. Er sagt: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (Lk  4,21). Das war die Predigt Jesu: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.« Das heißt, dass für Jesus jene Stelle des Propheten das Wesentliche enthält, das er über sich selbst sagen will. Jedes Mal, wenn wir über Jesus sprechen, sollten wir daher diese seine erste Verkündigung nachbilden. Sehen wir also, worin diese erste Verkündigung besteht. Es lassen sich fünf wesentliche Elemente erkennen.

 

Das erste Element ist die Freude. Jesus verkündigt: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; […] Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe« (V. 18), also eine frohe, eine freudige Botschaft. Frohe Botschaft: Man kann über Jesus nicht ohne Freude sprechen, denn der Glaube ist eine wunderbare Liebesgeschichte, die geteilt werden muss. Zeugnis geben von Jesus, in seinem Namen etwas für die anderen zu tun, bedeutet, zwischen den Zeilen des Lebens zu sagen, dass man ein so schönes Geschenk erhalten hat, dass kein Wort genügt, um es auszudrücken. Wenn dagegen die Freude fehlt, dann wird das Evangelium nicht übertragen, denn es ist – das Wort selbst sagt es – die gute Botschaft, und »Evangelium« bedeutet »gute Botschaft«, freudige Botschaft. Ein trauriger Christ kann von wunderschönen Dingen sprechen, aber alles ist umsonst, wenn die Botschaft, die er weitergibt, nicht freudig ist. Ein Denker hat einmal gesagt: »Ein Christ, der traurig ist, ist ein trauriger Christ«: Vergesst das nicht.

 

Kommen wir zum zweiten Aspekt: die Befreiung. Jesus sagt, dass er gesandt wurde, »damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde« (ebd.). Das bedeutet, dass jemand, der Gott verkündigt, keinen Proselytismus betreiben darf, nein, er darf keinen Druck auf die anderen ausüben, sondern muss ihnen das Leben erleichtern: Er darf keine Lasten auferlegen, sondern muss von ihnen befreien; Frieden bringen, nicht Schuldgefühle bringen. Gewiss, Jesus nachzufolgen bringt eine Askese mit sich, bringt Opfer mit sich; wenn alles Schöne sie verlangt, wie viel mehr dann noch die entscheidende Lebenswirklichkeit! Wer aber Christus bezeugt, verweist  mehr auf die Schönheit des Zieles als auf die Mühe des Weges. Wir haben sicher schon einmal jemandem von einer schönen Reise erzählt, die wir gemacht haben. Wir haben zum Beispiel über die Schönheit der Orte gesprochen, davon, was wir gesehen und erlebt haben, und nicht, wie lange wir gebraucht haben, um dort anzukommen, und über die Schlangen am Flughafen, nein! So muss jede Verkündigung, die des Erlösers würdig ist, Befreiung mitteilen. Wie die Verkündigung Jesu. Heute herrscht Freude, weil ich gekommen bin, um zu befreien.

 

Dritter Aspekt: das Licht. Jesus sagt, dass er gekommen ist, um »den Blinden das Augenlicht« zu bringen (ebd.). Es ist auffällig, dass in der ganzen Bibel vor Christus nie die Heilung eines Blinden vorkommt, nie. Denn es war ein verheißenes Zeichen, dass der Messias gekommen sei. Aber hier handelt es sich nicht nur um das physische Augenlicht, sondern um etwas, das das Leben in einem neuen Licht erscheinen lässt. Man »kommt ans Licht«, durch eine Neugeburt, die nur durch Jesus geschieht. Wenn wir darüber nachdenken, so hat das christliche Leben für uns so begonnen: mit der Taufe, die in der Antike als »Erleuchtung« bezeichnet wurde. Und welches Licht schenkt uns Jesus? Er bringt uns das Licht der Kindschaft: Er ist der vom Vater geliebte Sohn, der für immer lebt; und mit ihm sind auch wir für immer geliebte Kinder Gottes, trotz unserer Fehler und Makel. Dann ist das Leben kein blindes Vorangehen ins Nichts mehr, nein: Es ist keine Frage des Schicksals oder des Glücks. Es ist nichts, das nur vom Zufall oder von den Sternen abhängt, und auch nicht von der Gesundheit oder vom Geld, nein. Das Leben hängt von der Liebe ab, von der Liebe des Vaters, der für uns, seine geliebten Kinder, Sorge trägt. Wie schön, dieses Licht mit den anderen zu teilen! Habt ihr einmal darüber nachgedacht, dass das Leben eines jeden von uns – mein Leben, dein Leben, unser Leben – eine Geste der Liebe ist? Und eine Einladung zur Liebe? Das ist wunderbar! Aber oft vergessen wir das, angesichts der Schwierigkeiten, angesichts der schlechten Nachrichten, auch angesichts – und das ist schlimm – der Weltlichkeit, der weltlichen Lebensweise.

 

Vierter Aspekt der Verkündigung: die Heilung. Jesus sagt, dass er gekommen ist, »damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze« (ebd.) Zerschlagen ist jemand, der sich im Leben von etwas erdrückt fühlt: Krankheiten, Mühsal, eine Last auf dem Herzen, Schuldgefühle, Fehler, Laster, Sünden… Davon zerschlagen: Denken wir zum Beispiel an die Schuldgefühle. Wie viele von uns haben darunter gelitten? Denken wir an ein Schuldgefühl wegen diesem oder jenem… Zerschlagen werden wir vor allem von jenem Übel, das keine Medizin und kein menschliches Mittel heilen kann: die Sünde. Und wenn jemand Schuldgefühle hat wegen etwas, das er getan hat, und er fühlt sich schlecht… Aber die gute Nachricht ist, dass mit Jesus dieses alte Übel, die Sünde, die unüberwindbar erscheint, nicht mehr das letzte Wort hat. Das letzte Wort ist die ausgestreckte Hand Jesu, der dich von der Sünde wiederaufrichtet. Vater, wann tut er das? Einmal? Nein. Zwei? Nein. Drei? Nein. Immer. Jedes Mal, wenn es dir schlecht geht, hält der Herr stets die Hand ausgestreckt. Man muss sich nur daran festhalten und sich mitnehmen lassen. Die gute Nachricht ist, dass mit Jesus dieses alte Übel nicht mehr das letzte Wort hat: Das letzte Wort ist die ausgestreckte Hand Jesu, die dich voranbringt. Von der Sünde heilt Jesus uns immer. Und wie viel muss ich für die Heilung bezahlen? Nichts. Er heilt uns immer und unentgeltlich. Er lädt alle ein, die »mühselig und beladen« sind – er sagt es im Evangelium –, er lädt dazu ein, mit ihm zu gehen (vgl. Mt 11,28). Jemanden zur Begegnung mit Jesus zu begleiten, bedeutet also, ihn zum Arzt des Herzens zu bringen, der das Leben wiederaufrichtet. Und zu sagen: »Bruder, Schwester, ich habe keine Antworten auf viele deiner Probleme, aber Jesus kennt dich, Jesus liebt dich, er kann dich heilen und dein Herz beruhigen.« Wer Lasten zu tragen hat, braucht eine Liebkosung über die Vergangenheit. Oft hören wir: »Meine Vergangenheit müsste geheilt werden… ich brauche eine Liebkosung über jene Vergangenheit, die mich so sehr belas-tet…« Er braucht Vergebung. Und wer an Jesus glaubt, hat genau das den anderen zu schenken: die Kraft der Vergebung, die die Seele von jeder Schuld befreit. Brüder, Schwestern, vergesst das nicht: Gott vergisst alles. Wieso? Ja, er vergisst alle unsere Sünden, er hat keine Erinnerung daran. Gott vergibt alles, weil er unsere Sünden vergisst. Man muss sich dem Herrn nur nähern, und er vergibt uns alles. Denkt an das Evangelium, an den, der begonnen hat zu sagen: »Herr, ich habe gesündigt!« Jener Sohn… Und der Vater legt ihm die Hand auf den Mund. »Nein, ist gut, es ist nichts.« Er lässt ihn nicht ausreden… Und das ist schön. Jesus wartet auf uns, um uns zu vergeben, um uns zu heilen. Und wie oft? Einmal? Zweimal? Nein. Immer. »Aber Vater, ich tue immer wieder dasselbe…« Und auch er wird immer wieder dasselbe tun: dir vergeben, dich umarmen. Bitte, misstrauen wir dem nicht. So liebt man den Herrn. Wer Las-ten zu tragen hat und eine Liebkosung über die Vergangenheit braucht, Vergebung braucht, soll wissen, dass Jesus es tut. Und das ist es, was Jesus gibt: die Seele von jeder Schuld zu befreien. In der Bibel ist die Rede von einem Jahr, in dem man von der Schuldenlast befreit wurde: das Jubeljahr, das Gnadenjahr. So als wäre es der letzte Punkt der Verkündigung.

 

Denn Jesus sagt, dass er gekommen ist, um »ein Gnadenjahr des Herrn« auszurufen (Lk 4,19). Es war kein geplantes Jubeljahr, wie jene, die wir jetzt machen, wo alles geplant ist und man darüber nachdenkt, was man tun und lassen soll… Nein. Aber mit Christus kommt die Gnade, die das Leben neu macht, immer und erstaunt uns immer. Christus ist das tägliche, das stündliche Jubeljahr, das sich dir annähert, um dich zu liebkosen, um dir zu vergeben. Und die Verkündigung Jesu muss immer das Staunen der Gnade mit sich bringen. Dieses Staunen… »Ich kann es nicht glauben, mir ist vergeben worden.« Aber so groß ist unser Gott! Denn nicht wir sind es, die große Dinge tun, sondern es ist die Gnade des Herrn, der auch durch uns, unvorhersehbare Dinge tut. Und das sind Gottes Überraschungen. Gott ist ein Meister der Überraschungen. Immer überrascht er uns, immer wartet er auf uns. Immer. Das Evangelium begleitet uns zu einem Sinn für Wunder und Neuheit, der einen Namen hat: Jesus.

 

Er möge uns helfen, ihn zu verkündigen, wie er es will, indem wir Freude, Befreiung, Licht, Heilung und Staunen mitteilen. So teilt man Jesus mit.

 

Ein Letztes: Diese frohe Botschaft, von der das Evangelium spricht, wird »den Armen« gebracht (V. 18). Oft vergessen wir sie, und dennoch sind sie die ausdrücklich erwähnten Empfänger, weil sie von Gott besonders geliebt sind. Denken wir an sie, und denken wir daran, dass jeder von uns, um den Herrn anzunehmen, »innerlich arm« werden muss. Mit jener Armut, die uns sagen lässt: »Herr, ich brauche Vergebung, ich brauche Hilfe, ich brauche Kraft.« Diese Armut, die wir alle haben: innerlich arm werden. Es geht darum, jeden Anspruch auf Selbstgenügsamkeit zu überwinden, um zu verstehen, dass man die Gnade braucht, und dass man Christus immer braucht. Wenn jemand zu mir sagt: Vater, aber was ist der kürzeste Weg, um Jesus zu begegnen? Mach dich bedürftig. Bedürftig nach Gnade, bedürftig nach Vergebung, bedürftig nach Freude. Und er wird sich dir nähern.

 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 18. Januar 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, in unserer Katechese über den Eifer für die Evangelisierung blicken wir heute auf das Vorbild der Verkündigung schlechthin: Jesus Christus. Seine Mission hat ihren Ursprung in der innigen und einzigartigen Beziehung zu seinem göttlichen Vater, mit dem er durch das Gebet im ständigen Austausch steht. Er ist das Wort Gottes, das ewige Wort des Vaters, das an uns gerichtet ist und Mensch geworden ist, um in unser Leben einzutreten und es zu teilen. So sagt er selbst von sich, dass er nicht gekommen ist, „sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mk 10,45). In diesem Sinne ist er auch der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe, für uns, hingibt (vgl. Joh 10,11). Er hat ein „pastorales Herz“, wie im Gleichnis vom verlorenen Schaf (vgl. Lk 15, 4-7) deutlich wird. Der Herr leidet und riskiert etwas, indem er aus Liebe und Sehnsucht jenen nachgeht, die sich von ihm entfernt haben. Fragen wir uns daher in der Seelsorge, in der pastoralen Arbeit, ob wir wirklich in inniger Vertrautheit mit Gott, aus dem Gebet und in Einklang mit seinem Herzen leben. Denn das macht die „Seele eines jeden Apostolats“ aus, das die Freude der Gotteskindschaft vor der Welt bezeugen und alle Menschen daran teilhaben lassen will. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 11. Januar 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, die Sendung der Kirche und unser Leben als Christen besteht darin, das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu verkünden. Mit dieser neuen Katechesereihe wollen wir die Leidenschaft für die Neuevangelisierung wiedergewinnen, indem wir das Feuer des apostolischen Eifers für die Mission der Kirche neu entfachen. Dazu blicken wir zunächst auf die Berufung des Apostels Matthäus (Mt 9,9-13), die uns von einem Blick, einer Bewegung und einem Ziel berichten. Seine Berufung beginnt damit, dass ihn Jesus mit dem Blick der Liebe ansieht. Er achtet nicht auf das, was andere über ihn denken, sondern für ihn ist er, wie jeder Mensch, Empfänger seiner Liebe und Barmherzigkeit. Und so beginnt auch die Leidenschaft für die Evangelisierung: Auf unsere Nächsten so hinzusehen, wie es Jesus tut. Zweitens ruft der Herr Matthäus in seine Nachfolge, setzt ihn in Bewegung, und öffnet ihn für den Dienst an seinen Mitmenschen. Matthäus Ziel liegt nicht in der Ferne: Verändert durch seine Berufung, kehrt er mit Jesus nach Hause zurück. Dort beginnt sein apostolischer Eifer. Das soll uns sagen: Verkündigung beginnt dort, wo wir leben, hier und heute und mit einem anziehenden und freudigen Zeugnis der Schönheit der Liebe, mit der Jesus uns anblickt und in seine Nachfolge ruft.

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 4. Januar 2023

 

Liebe Brüder und Schwestern, eine Voraussetzung geistlicher Unterscheidung ist eine gute Selbsterkenntnis und zu dieser gelangt man leichter und sicherer mithilfe eines erfahrenen geistlichen Begleiters, mit dem man vertrauensvoll über das eigene Leben sprechen kann – auch über die eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen. Diese erweisen sich mitunter als sehr wertvoll, denn ehrlich vor Gott gebracht, können sie zum Anlass werden, den göttlichen Weg der Barmherzigkeit und Liebe einzuschlagen. Denken wir an die Samariterin am Jakobsbrunnen, an Zachäus, an die Sünderin, an Nikodemus und an viele andere Gestalten im Evangelium: Da wo Menschen Jesus wirklich begegnen und keine Angst haben, ihm ihr Herz zu öffnen und ihre Schwäche zu zeigen, machen sie die Erfahrung der Vergebung und des Heils. Ein guter geistlicher Begleiter führt den Menschen zu einer solchen Begegnung mit Jesus, indem er dazu ermutigt, im eigenen Herzen zu lesen, falsche Gedanken aufzudecken, die Zeichen des Guten zu sehen und sich auf neue Perspektiven und Sichtweisen einzulassen. Niemand kann allein zu Gott gelangen. Glaube ist immer eine Weggemeinschaft von Brüdern und Schwestern, die sich als Kinder des einen Vaters erleben. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 28. Dezember 2022

 

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag und noch einmal frohe Weihnachten!

 

Diese liturgische Zeit lädt uns ein, über das Geheimnis von Weihnachten nachzudenken. Und da wir genau heute den 400. Todestag des heiligen Bischofs und Kirchenlehrers Franz von Sales begehen, können wir uns von einigen seiner Gedanken inspirieren lassen. Er hat viel über Weihnachten geschrieben. In diesem Zusammenhang freue ich mich anzukündigen, dass heute das Apostolische Schreiben zum Gedenken an diesen Jahrestag veröffentlicht wird. Der Titel lautet: Alles gehört der Liebe, in Anlehnung an ein bezeichnendes Wort des heiligen Franz von Sales. Denn in der Abhandlung über die Gottesliebe schrieb er: »Alles gehört der Liebe, alles liegt in der Liebe, alles ist für die Liebe, alles ist aus Liebe in der heiligen Kirche« (Franz von Sales, Abhandlung über die Gottesliebe, Vorwort, in DASal  III, 36.) Und es wäre wunderbar, wenn wir alle auf diesem so schönen Weg der Liebe wandeln könnten.

 

Wir wollen jetzt versuchen, das Geheimnis der Geburt Jesu etwas zu vertiefen, »in Gesellschaft« des heiligen Franz von Sales; so vereinen wir die beiden Gedächtnisfeiern.

 

Der heilige Franz von Sales schreibt einem seiner zahlreichen Briefe an die heilige Johanna Franziska von Chantal: »Es scheint mir, als sehe ich Salomo auf dem großen Thron aus Elfenbein, mit Gold überzogen und gemeißelt, der noch für kein Königreich geschaffen worden war, wie es in der Schrift heißt (vgl. 1 Kön  10, 18-20); also jenen König, der alle Könige an Herrlichkeit und Ehre übertraf (vgl. 1 Kön  10,23). Aber ich will hundertmal lieber das liebe kleine Kind in der Krippe sehen als alle Könige auf ihren Thronen«1 : Das ist schön, was er dort gesagt hat. Jesus, der König des Universums, hat sich nie auf einen Thron gesetzt, nie: Er ist in einem Stall geboren – so sehen wir ihn dargestellt –, wurde in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt; und am Ende ist er an einem Kreuz gestorben und in ein Leinentuch gewickelt in das Grab gelegt worden. Tatsächlich betont der Evangelist Lukas, wenn er über die Geburt Jesu berichtet, sehr das Detail der Krippe. Das bedeutet, dass es sehr wichtig ist, nicht nur als logistisches Detail, sondern als symbolisches Element, um was zu verstehen? Um zu verstehen, was für Art von Messias dort in Betlehem geboren ist, was für eine Art von König: wer Jesus ist. Wenn wir die Krippe betrachten, wenn wir das Kreuz betrachten, wenn wir sein einfaches Leben betrachten, können wir verstehen, wer Jesus ist. Jesus ist der Sohn Gottes, der uns erlöst, indem er Mensch wird, wie wir, indem er sich seiner Herrlichkeit ent-äußert und sich erniedrigt hat (vgl. Phil 2,7–8). Dieses Geheimnis sehen wir konkret im Mittelpunkt der Weihnachtsszene, also im Kind, das in einer Krippe liegt. Das ist »das Zeichen«, das Gott uns an Weihnachten gibt: So war es damals für die Hirten von Betlehem (vgl. Lk 2,12), so ist es heute, und so wird es immer sein. Wenn die Engel die Geburt Jesu verkündigen: »Geht hin, um ihn zu sehen«, dann ist das Zeichen: Ihr werdet ein Kind in einer Krippe finden. Das ist das Zeichen. Der Thron Jesu ist die Krippe oder die Straße, als er umherzog und verkündigte, oder das Kreuz am Ende des Lebens: Das ist der Thron unseres Königs.

 

Dieses Zeichen zeigt uns den »Stil« Gottes. Und was ist der Stil Gottes? Das dürfen wir nie vergessen: Der Stil Gottes ist Nähe, Mitleid und Zärtlichkeit. Unser Gott ist nahe, mitleidend und zärtlich. In Jesus sieht man diesen Stil Gottes. Mit diesem seinem Stil zieht Gott uns zu sich. Er ergreift uns nicht mit Gewalt, er zwingt uns nicht seine Wahrheit und seine Gerechtigkeit auf, er macht uns nicht zu Proselyten, nein: Er will uns anziehen mit der Liebe, mit der Zärtlichkeit, mit dem Mitleid. In einem anderen Brief schreibt der heilige Franz von Sales: »Der Magnet zieht das Eisen an, und der Bernstein zieht Heu und Stroh an. Nun denn, ganz gleich, ob wir Eisen sind aufgrund unserer Härte oder Heu aufgrund unserer Schwäche, wir müssen uns anziehen lassen von diesem kleinen himmlischen Kind.«2 Unsere Stärken, unsere Schwächen werden nur gelöst vor der Krippe, vor Jesus, oder vor dem Kreuz: der Jesus, der sich entäußert hat, der arme Jesus; aber immer mit seinem Stil der Nähe, des Mitleids und der Zärtlichkeit. Gott hat das Mittel gefunden, uns so anzuziehen, wie wir sind: mit der Liebe. Keine besitzergreifende und egoistische Liebe, wie die menschliche Liebe es leider so oft ist. Seine Liebe ist reines Geschenk, reine Gnade, sie ist ganz und gar für uns, für unser Wohl. Und so zieht er uns an, mit dieser wehrlosen und auch entwaffnenden Liebe, denn wenn wir diese Einfachheit Jesu sehen, dann werfen auch wir die Waffen des Hochmuts fort und gehen dorthin, demütig, um das Heil zu erbitten, um Vergebung zu erbitten, um Licht zu erbitten für unser Leben, um vorangehen zu können. Vergesst nicht den Thron Jesu: die Krippe und das Kreuz, das ist der Thron Jesu.

 

Ein weiterer Aspekt, der in der Krippe aufscheint, ist die Armut – dort ist wirklich Armut –, verstanden als Verzicht auf jede weltliche Eitelkeit. Wenn wir das Geld sehen, das für Eitelkeit ausgegeben wird: viel Geld für weltliche Eitelkeit; viele Anstrengungen, viel Streben nach Eitelkeit; während Jesus uns die Demut sehen lässt. Der heilige Franz von Sales schreibt: »Mein Gott! Wie viele heilige Gefühle lässt diese Geburt in unseren Herzen aufkommen! Vor allem aber lehrt sie uns den völligen Verzicht auf alle Güter, auf allen Prunk […] dieser Welt. Ich weiß nicht, aber ich finde kein anderes Geheimnis, in dem Zärtlichkeit und Nüchternheit, Liebe und Strenge, Sanftheit und Härte so lieblich miteinander vermischt sind«3 : All das sehen wir in der Krippe. Ja, wir müssen achtgeben, nicht in die weltliche Karikatur von Weihnachten zu verfallen. Und das ist ein Problem, denn Weihnachten ist genau das.‘

 

Heute sehen wir jedoch, dass es auch ein »anderes Weihnachten« – in Anführungszeichen – gibt. Es ist die Karikatur von Weihnachten, die Weihnachten auf ein konsumorientiertes und verkitschtes Fest reduziert. Es muss gefeiert werden, das muss es, aber das darf nicht Weihnachten sein, Weihnachten ist etwas anderes. Die Liebe Gottes ist nicht süßlich, das zeigt uns die Krippe Jesu. Die Liebe Gottes ist kein heuchlerisches Gutmenschentum, hinter dem sich die Suche nach Vergnügen und Annehmlichkeiten verbirgt. Unsere Vorfahren, die Krieg und auch Hunger kennengelernt hatten, wussten es gut: Weihnachten ist Freude und Festlichkeit, gewiss, aber in Einfachheit und Nüchternheit.

 

Und wir wollen mit einem Gedanken des heiligen Franz von Sales schließen, den ich auch im Apostolischen Schreiben aufgegriffen habe. Er legte ihn den Visitantinnen ans Herz – denkt nur! – zwei Tage bevor er starb. Und er sagte: »Schaut auf das Jesulein in der Krippe. Es erträgt Ungemach und Kälte und alles, was der himmlische Vater zulässt. Es weist aber auch die kleinen Erleichterungen, die seine Mutter ihm verschafft, nicht ab. Haben wir je gelesen, dass es seine Händchen nach der Mutterbrust verlangend ausgestreckt? Alles hat es der Sorge und Fürsorge seiner Mutter überlassen. Auch wir sollen nichts verlangen – nichts abschlagen, sondern alles, was Gott schickt, annehmen, Ungemach und Kälte.«4  Und darin, liebe Brüder und Schwestern, liegt eine große Lehre, die uns vom Jesuskind kommt durch die Weisheit des heiligen Franz von Sales: nichts zu verlangen und nichts abzuschlagen, alles anzunehmen, was Gott uns schickt. Aber Achtung! Immer nur aus Liebe, denn Gott liebt uns und will immer nur unser Wohl.

 

Betrachten wir die Krippe, die der Thron Jesu ist, betrachten wir Jesus auf den Straßen von Judäa, von Galiläa, der die Botschaft des Vaters verkündet, und betrachten wir Jesus auf dem anderen Thron, am Kreuz. Das ist es, was Jesus uns anbietet: den Weg, aber er ist der Weg der Glückseligkeit.

 

Euch allen und euren Familien eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Beginn des neuen Jahres! 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 21. Dezember 2022

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag und herzlich willkommen!

 

Wir setzen – sie gehen dem Ende entgegen – die Katechesen über die Unterscheidung fort, und wer diese Katechesen bisher verfolgt hat, könnte vielleicht denken: Wie kompliziert dieses »Unterscheiden« doch ist! Allerdings ist es in Wirklichkeit das Leben, das kompliziert ist, und wenn wir nicht lernen, es zu verstehen, kompliziert wie es ist, dann laufen wir Gefahr, es zu vergeuden, indem wir mit Strategien vorangehen, die uns schließlich entmutigen.

 

In unserer ersten Begegnung hatten wir gesehen, dass wir immer, jeden Tag, ob wir wollen oder nicht, Entscheidungen treffen: was wir essen, was wir lesen, bei der Arbeit, in den Beziehungen, in allem. Das Leben stellt uns immer vor Entscheidungen, und wenn wir sie nicht bewusst treffen, dann entscheidet das Leben am Ende für uns und bringt uns dorthin, wohin wir nicht wollen.

 

Bei der Entscheidungsfindung geht man jedoch nicht allein vor. Heute wollten wir diesbezüglich einige Hilfen betrachten, die diese Unterscheidung einfacher machen können und die im geistlichen Leben unverzichtbar sind, auch wenn wir ihnen im Laufe dieser Katechesen in irgendeiner Form schon begegnet sind. Aber eine Zusammenfassung wird uns sehr helfen.

 

Ein erstes unverzichtbares Hilfsmittel ist die Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes und der Lehre der Kirche. Sie helfen uns zu verstehen, was im Herzen vorgeht, indem wir lernen, die Stimme Gottes zu erkennen und sie von anderen Stimmen zu unterscheiden, die sich unserer Aufmerksamkeit aufzudrängen scheinen, uns aber am Ende verwirrt zurücklassen. Die Bibel lehrt uns, dass Gottes Stimme in der Ruhe, in der Achtsamkeit, in der Stille zu hören ist. Denken wir an die Erfahrung des Propheten Elija: Der Herr spricht nicht im Sturm zu ihm, der die Felsen zerbricht, nicht im Feuer oder im Erdbeben, sondern er spricht zu ihm im sanften, leichten Säuseln (vgl. 1 Kön 19,11-12). Das ist ein sehr schönes Bild, das uns verstehen lässt, wie Gott spricht. Gottes Stimme drängt sich nicht auf, Gottes Stimme ist zurückhaltend, respektvoll, ich würde mir sogar erlauben zu sagen: Gottes Stimme ist demütig und gerade deshalb Frieden stiftend. Und nur im Frieden können wir in unser tiefstes Inneres eintreten und die echten Wünsche erkennen, die der Herr in unser Herz gelegt hat. Und oft ist es nicht leicht, in jenen Frieden des Herzens einzutreten, weil wir den ganzen Tag mit vielen Dingen beschäftigt sind… Aber bitte, beruhige dich etwas, komm zu dir selbst. Zwei Minuten, halte inne. Schau, was dein Herz spürt. Tun wir das, Brüder und Schwestern, es wird uns sehr helfen, denn in jenem Augenblick der Ruhe hören wir sofort die Stimme Gottes, der zu uns sagt: »Schau mal, schau dies an, das ist gut, was du da machst…« Lassen wir in der Ruhe gleich Gottes Stimme zu uns kommen. Er wartet darauf, dass wir es tun.

 

Für den Gläubigen ist das Wort Gottes nicht einfach nur ein Text, den man lesen kann. Das Wort Gottes ist eine lebendige Gegenwart, es ist ein Werk des Heiligen Geistes, der tröstet, unterweist, Licht, Kraft, Erquickung und Lebensfreude schenkt. Die Bibel lesen, einen Abschnitt, einen oder zwei Abschnitte aus der Bibel lesen: Es sind gleichsam kleine Telegramme Gottes, die sofort in dein Herz gelangen. Das Wort Gottes ist gewissermaßen – und ich übertreibe nicht –, es ist gewissermaßen ein wahrer Vorgeschmack auf das Paradies. Ein großer Heiliger und Hirte, Ambrosius, der Bischof von Mailand, hatte das gut verstanden und schrieb: »Wenn ich die Heilige Schrift lese, dann wandelt Gott wieder durch das irdische Paradies« (Briefe, 49,3). Mit der Bibel öffnen wir Gott, der unter uns wandelt, die Tür. Interessant…

 

Diese liebevolle Beziehung zur Bibel, zur Heiligen Schrift, zum Evangelium, bringt uns dazu, eine liebevolle Beziehung zu Jesus, dem Herrn, zu leben: Habt keine Angst davor! Das Herz spricht zum Herzen, und das ist eine weitere unverzichtbare und nicht selbstverständliche Hilfe. Oft können wir eine verzerrte Vorstellung von Gott haben und ihn als grimmigen Richter, als strengen Richter betrachten, der nur darauf wartet, dass wir einen Fehler begehen. Jesus dagegen offenbart uns einen Gott voll Mitgefühl und Zärtlichkeit, der bereit ist, sich selbst hinzuschenken, nur um uns entgegenzukommen, so wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn (vgl. Lk 15,11-32).

 

Einmal hat jemand seine Mutter oder seine Großmutter – ich weiß es nicht genau, man hat es mir erzählt – gefragt: »Was soll ich tun, in diesem Augenblick?« – »Höre auf Gott, er wird dir sagen, was du tun sollst. Öffne Gott dein Herz«: ein sehr schöner Rat. Ich erinnere mich an eine Jugendwallfahrt zum Heiligtum vom Luján, 70 Kilometer von Buenos Aires entfernt, die einmal im Jahr stattfindet. Man braucht den ganzen Tag, um dort hinzukommen; ich hatte die Gewohnheit, nachts die Beichte zu hören. Da kam ein etwa 22-jähriger Mann zu mir, über und über tätowiert. Ich dachte: »Mein Gott, was soll das bloß werden?« Und er sagte zu mir: »Wissen Sie, ich bin mitgekommen, weil ich ein ernsthaftes Problem habe. Ich habe meiner Mutter davon erzählt, und meine Mutter hat zu mir gesagt: ›Geh zur Gottesmutter, mach die Wallfahrt, und die Gottesmutter wird es dir sagen.‹ Und ich bin mitgekommen. Hier bin ich mit der Bibel in Berührung gekommen, ich habe das Wort Gottes gehört, und es hat mein Herz berührt, und ich muss das, das und das tun.«

 

Das Wort Gottes berührt dein Herz und verändert dein Leben. Und das habe ich oft gesehen, sehr oft. Denn Gott will uns nicht zerstören. Gott will, dass wir jeden Tag stärker, besser werden. Wer vor dem Gekreuzigten verweilt, verspürt neuen Frieden; er lernt, vor Gott keine Angst zu haben, denn Jesus am Kreuz macht niemandem Angst. Er ist das Bild völliger Machtlosigkeit und gleichzeitig größter Liebe, die in der Lage ist, für uns jede Prüfung auf sich zu nehmen. Die Heiligen hatten immer eine besondere Liebe zum gekreuzigten Jesus. Die Leidensgeschichte Jesu ist der Königsweg, um uns mit dem Bösen auseinanderzusetzen, ohne von ihm übermannt zu werden; hier gibt es keine Verurteilung und auch keine Resignation, weil alles von einem größeren Licht durchzogen ist, vom Osterlicht, das uns in jenen schrecklichen Vorgängen einen größeren Plan sehen lässt, den kein Hemmnis, kein Hindernis und kein Scheitern vereiteln kann.

 

Das Wort Gottes lässt dich immer die andere Seite sehen: Das Kreuz ist da, hier und jetzt, es ist schrecklich, aber es gibt noch etwas anderes, eine Hoffnung, eine Auferstehung. Das Wort Gottes öffnet dir alle Türen, weil er, der Herr, die Tür ist. Nehmen wir das Evangelium, nehmen wir die Bibel zur Hand: fünf Minuten täglich, nicht mehr. Tragt ein kleines Evangelium bei euch, in der Tasche, und wenn ihr unterwegs seid, nehmt es zur Hand und lest etwas darin, im Laufe des Tages, einen kleinen Abschnitt, lasst das Wort Gottes zu eurem Herzen gelangen. Tut das, und ihr werdet sehen, wie sich durch die Nähe zum Wort Gottes euer Leben verändert. »Ja, Vater, aber ich lese gewöhnlich die Lebensbeschreibungen der Heiligen«: Das ist gut, das ist gut, aber vernachlässige das Wort Gottes nicht. Trage das Evangelium bei dir und lies darin, wenn auch nur eine Minute am Tag.

 

Es ist sehr schön, sich das Leben mit dem Herrn als eine freundschaftliche Beziehung vorzustellen, die Tag für Tag wächst. Habt ihr schon einmal daran gedacht? Das ist der Weg! Denken wir an Gott, der uns liebt, der will, dass wir seine Freunde sind! Die Freundschaft mit Gott hat die Fähigkeit, das Herz zu verwandeln; sie ist eine der großen Gaben des Heiligen Geistes, die Frömmigkeit, die uns fähig macht, die Vaterschaft Gottes zu erkennen. Wir haben einen zärtlichen Vater, einen liebevollen Vater, einen Vater, der uns liebt, der uns schon immer geliebt hat: Wenn man diese Erfahrung macht, dann schmilzt das Herz, und Zweifel, Ängste, das Gefühl der Unwürdigkeit fallen ab. Nichts kann sich dieser Liebe, dieser Begegnung mit dem Herrn entgegenstellen.

 

Und das ruft uns eine weitere große Hilfe in Erinnerung: das Geschenk des Heiligen Geistes, der in uns gegenwärtig ist und uns unterweist; der das Wort Gottes, das wir lesen, lebendig macht, neue Bedeutungen aufzeigt, Türen öffnet, die verschlossen zu sein schienen; der dort Lebenswege aufzeigt, wo nur Dunkelheit und Verwirrung zu sein schienen. Ich frage euch: Betet ihr zum Heiligen Geist? Wer ist eigentlich dieser große Unbekannte? Wir beten zum Vater, ja, das Vaterunser, wir beten zu Jesus, aber wir vergessen den Heiligen Geist!

 

Einmal habe ich in einer Katechese für Kinder die Frage gestellt: »Wer von euch weiß, wer der Heilige Geist ist?« Und ein Kind: »Ich weiß es!« – »Und wer ist es?« – »Der Gelähmte« [ital. »il paralitico«], hat es zu mir gesagt! Es hatte den Ausdruck »der Paraklet« [ital. »il Paraclito«] gehört, und meinte, er sei ein Gelähmter. Und oft – das hat mich nachdenklich gemacht – ist der Heilige Geist für uns dort, so als sei er eine Person, die nicht zählt. Der Heilige Geist ist es, der deiner Seele Leben schenkt! Lasst ihn eintreten. Sprecht mit dem Heiligen Geist, so wie ihr mit dem Vater sprecht, wie ihr mit dem Sohn sprecht: Sprecht mit dem Heiligen Geist – der nichts Gelähmtes an sich hat! In ihm liegt die Kraft der Kirche, er ist es, der dich voranbringt. Der Heilige Geist ist tätige Entscheidungsfindung, Gegenwart Gottes in uns, er ist die Gabe, das größte Geschenk, das der Vater allen zusichert, die ihn bitten (vgl. Lk 11,13). Und wie nennt Jesus ihn? »Die Gabe«: »Bleibt hier in Jerusalem und wartet auf die Gabe Gottes«, den Heiligen Geist. Es ist interessant, das Leben in Freundschaft mit dem Heiligen Geist zu führen: Er verwandelt dich, er lässt dich wachsen.

 

Im Stundengebet beginnen die wichtigsten Gebetszeiten des Tages mit dieser Anrufung: »O Gott, komm mir zu Hilfe. Herr, eile, mir zu helfen.« »Herr, hilf mir!«, denn allein kann ich nicht vorangehen, kann ich nicht lieben, kann ich nicht leben… Diese Bitte um Rettung ist ein ununterdrückbarer Ruf, der aus der Tiefe unseres Seins hervorströmt. Die Unterscheidung hat das Ziel, das vom Herrn gewirkte Heil in meinem Leben zu erkennen; sie erinnert mich daran, dass ich nie allein bin und wenn ich kämpfe, dann deshalb, weil sehr Wichtiges auf dem Spiel steht. Der Heilige Geist ist immer bei uns. »Ach, Vater, ich habe etwas Schlimmes getan, ich muss beichten gehen, ich kann nichts machen…« Du hast etwas Schlimmes getan? Sprich mit dem Heiligen Geist, der bei dir ist, und sag zu ihm: »Hilf mir, ich habe diese schlimme Sache getan.« Aber brich das Gespräch mit dem Heiligen Geist nicht ab. »Vater, ich bin in Todsünde«: Es macht nichts, sprich mit ihm, dann hilft er dir, Vergebung zu erlangen. Niemals das Gespräch mit dem Heiligen Geist abbrechen! Und mit diesen Hilfen, die der Herr uns gibt, brauchen wir uns nicht zu fürchten. Vorwärts, nur Mut und mit Freude!

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 14. Dezember 2022

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Wir treten nunmehr in die Schlussphase dieser Katechesereihe über die Unterscheidung ein. Wir haben mit dem Beispiel des heiligen Ignatius von Loyola begonnen; dann haben wir die Elemente der Unterscheidung betrachtet, das heißt das Gebet, die Selbsterkenntnis, die Sehnsucht und das »Buch des Lebens«. Wir haben über Trostlosigkeit und Trost gesprochen, die ihre »Materie« bilden; und dann sind wir zur Bestätigung der getroffenen Entscheidung gelangt.

 

Ich denke, dass es notwendig ist, an dieser Stelle auf eine wesentliche Haltung hinzuweisen, damit unser ganzes Bemühen, das Beste zu erkennen und eine gute Entscheidung zu treffen, nicht umsonst war, und zwar die Haltung der Wachsamkeit. Wir haben die Unterscheidung vorgenommen, Trost und Trostlosigkeit; wir haben uns für eine Sache entschieden… Alles geht gut, aber jetzt müssen wir wachsam sein: die Haltung der Wachsamkeit. Denn eine Gefahr besteht tatsächlich, wie wir im Abschnitt aus dem Evangelium gehört haben, der verlesen wurde. Eine Gefahr gibt es, und der »Spielverderber«, der Böse, kann alles verderben und uns an den Ausgangspunkt zurückbringen, ja sogar in einen noch schlimmeren Zustand. Und das kommt vor, daher muss man aufmerksam sein und wachen. Aus diesem Grund ist es unverzichtbar, wachsam zu sein. Daher erschien es mir heute angebracht, diese Haltung, die wir alle brauchen, hervorzuheben, damit der Unterscheidungsprozess zu einem guten Ende gelangt und dort bleibt.

 

Tatsächlich sagt Jesus in seiner Verkündigung immer wieder, dass der gute Jünger wachsam ist, nicht einschläft, sich nicht in übermäßiger Sicherheit wiegt, wenn die Dinge gut laufen, sondern aufmerksam bleibt und bereit, seine Pflicht zu erfüllen.

 

Im Lukasevangelium  sagt Jesus zum Beispiel: »Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft! Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt!« (12,35-37).

 

Wachsam sein, um unser Herz zu behüten und zu verstehen, was darin vorgeht. Es handelt sich um die innere Bereitschaft der Christen, die das endgültige Kommen des Herrn erwarten; man kann es jedoch auch als die gewöhnliche Haltung bezeichnen, die wir im Leben einnehmen müssen, damit unsere guten Entscheidungen, die manchmal nach einer mühevollen Unterscheidung getroffen werden, beharrlich und konsequent fortgesetzt werden und Frucht tragen können.

 

Wenn die Wachsamkeit fehlt, dann ist wie gesagt die Gefahr sehr groß, dass alles verlorengeht. Es handelt sich nicht um eine Gefahr psychologischer Natur, sondern geistlicher Natur, um einen wahren Hinterhalt des bösen Geistes. Denn dieser wartet genau auf den Moment, wo wir zu selbstsicher sind, das ist die Gefahr: »Ich bin selbstsicher, ich habe gesiegt, jetzt geht es mir gut…« Dieser Moment ist es, auf den der böse Geist wartet, wenn alles gutgeht, wenn alles gut läuft und wir, wie man sagt, »Rückenwind haben«. So heißt es in dem kurzen Gleichnis aus dem Evangelium, das wir gehört haben: Der unreine Geist, wenn er in das Haus zurückkehrt, das er verlassen hatte, »findet es leer, sauber und geschmückt« (Mt  12,44). Alles ist an seinem Platz, alles ist in Ordnung, aber wo ist der Hausherr? Er ist nicht da. Niemand ist da, der es bewacht und hütet. Und das ist das Problem. Der Hausherr ist nicht da, er ist hinausgegangen, er ist abgelenkt, oder er ist im Haus und schläft, und daher ist es so, als wäre er nicht da. Er ist nicht wachsam, er ist nicht aufmerksam, denn er ist zu selbstsicher und hat die Demut verloren, sein eigenes Herz zu behüten. Wir müssen unser Haus, unser Herz immer behüten und dürfen nicht abgelenkt sein und gehen… denn hier ist das Problem, wie das Gleichnis zeigt.

 

Das kann der böse Geist ausnutzen und in jenes Haus zurückkehren. Im Evangelium heißt es jedoch, dass er nicht allein dorthin zurückkehrt, sondern er nimmt »sieben andere Geister mit sich, die noch schlimmer sind als er selbst« (V. 45). Eine üble Gesellschaft, eine Verbrecherbande. Aber – so fragen wir uns – wieso können sie ungestört eintreten? Wieso merkt der Hausherr es nicht? Hatte er keine gute Unterscheidung getroffen und sie verjagt? Hatten seine Freunde und Nachbarn ihm nicht sogar Komplimente gemacht für dieses so schöne und elegante, so ordentliche und saubere Haus? Ja, aber vielleicht hatte er sich gerade deshalb zu sehr in das Haus, also in sich selbst, verliebt und hatte aufgehört, auf den Herrn zu warten, auf das Kommen des Bräutigams zu warten. Vielleicht empfing er aus Angst, jene Ordnung zu zerstören, niemanden mehr, lud nicht die Armen, die Obdachlosen ein, jene, die stören…

 

Eines ist gewiss: Hier ist viel schlechter Stolz dabei, die Anmaßung, gerecht zu sein, gut zu sein, in Ordnung zu sein. Oft hören wir von jemandem: »Ja, früher war ich schlecht, ich habe mich bekehrt und jetzt ist das Haus in Ordnung, Gott sei Dank, du kannst beruhigt sein…« Wenn wir zu sehr auf uns selbst vertrauen und nicht auf die Gnade Gottes, dann findet der Böse die Tür offen. Er organisiert dann den Feldzug und nimmt jenes Haus in Besitz. Und Jesus schließt: »Und die letzten Dinge jenes Menschen werden schlimmer sein als die ersten« (V. 45).

 

Aber merkt es der Hausherr denn nicht? Nein, denn dies sind Dämonen mit guten Manieren: Sie treten ein, ohne dass du es merkst, sie klopfen an die Tür, sind höflich. »Nein, in Ordnung, komm nur herein…«, und am Ende übernehmen sie dann den Befehl in deiner Seele. Gebt acht auf diese kleinen Teufel, auf diese Dämonen: Der Teufel hat gute Manieren, wenn er so tut, als wäre er ein feiner Herr. Denn er tritt mit unserer Erlaubnis ein, um mit seiner eigenen hinauszugehen. Man muss das Haus behüten vor diesem Betrug der Dämonen mit den guten Manieren. Und die geistliche Weltlichkeit geht immer diesen Weg.

 

Liebe Brüder und Schwestern, es erscheint unmöglich, aber es ist so. Oft verlieren wir, werden in den Schlachten besiegt, aufgrund dieses Mangels an Wachsamkeit. Oft hat der Herr vielleicht viele Gnaden geschenkt, und am Ende sind wir nicht in der Lage, diese Gnade zu bewahren, und verlieren alles, weil uns die Wachsamkeit fehlt: Wir haben die Türen nicht gehütet. Und dann sind wir betrogen worden von jemandem, der kommt, mit guten Manieren, und er nistet sich ein und tschüss … So ist der Teufel. Jeder kann das auch nachprüfen, indem er über seine persönliche Geschichte nachdenkt. Es genügt nicht, eine gute Unterscheidung vorzunehmen und eine gute Entscheidung zu treffen. Nein, das genügt nicht: Man muss wachsam bleiben, diese Gnade behüten, die Gott uns geschenkt hat, aber wachen, denn du könntest sagen: »Wenn ich irgendeine Unordnung sehe, dann merke ich sofort, dass es der Teufel ist, dass es eine Versuchung ist…«

 

Ja, aber diesmal kommt er als Engel verkleidet: Der Teufel kann sich als Engel verkleiden, er tritt ein mit höflichen Worten, und er überzeugt dich, und am Ende ist es schlimmer als am Anfang… Man muss wachsam bleiben, über das Herz wachen. Wenn ich heute einen jeden von euch und auch mich selbst fragen würde: »Was geht in deinem Herzen vor?«, dann könnten wir vielleicht nicht alles sagen. Wir würden das eine oder andere sagen, aber nicht alles. Über das Herz wachen, denn die Wachsamkeit ist Zeichen der Weisheit, ist vor allem Zeichen der Demut, denn wir haben Angst zu fallen, und die Demut ist der Königsweg des christlichen Lebens. 

 

(Quelle: www.vatican.va)

 


Generalaudienz am 7. Dezember 2022

 

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

 

Im Unterscheidungsprozess ist es wichtig, auch auf die Phase zu achten, die unmittelbar auf die getroffene Entscheidung folgt, um die Zeichen zu erkennen, die sie bestätigen oder anfechten. Ich muss eine Entscheidung treffen, ich denke über die Entscheidung nach, dafür oder dagegen, Gefühle, ich bete… Dann endet dieser Prozess, und ich treffe die Entscheidung, und dann kommt der Teil, in dem wir aufmerksam sein, schauen müssen. Denn im Leben gibt es Entscheidungen, die nicht gut sind, und es gibt Zeichen, die sie in Frage stellen, während sie die guten Entscheidungen bestätigen.

 

Denn wir haben gesehen, dass die Zeit ein grundlegendes Kriterium ist, um die Stimme Gottes unter vielen anderen Stimmen zu erkennen. Nur er ist Herr über die Zeit: Sie ist ein Markenzeichen für seine Originalität, das ihn von den Nachahmungen unterscheidet, die in seinem Namen sprechen, ohne dass es ihnen gelingt. Eines der Erkennungszeichen für den guten Geist ist die Tatsache, dass er einen langanhaltenden Frieden vermittelt. Wenn du etwas vertiefst, dann die Entscheidung triffst und dir das langanhaltenden Frieden schenkt, dann ist das ein gutes Zeichen, das darauf hinweist, dass der Weg gut war. Ein Friede, der Harmonie, Einheit, Leidenschaft, Eifer bringt. Du gehst aus dem Vertiefungsprozess besser hervor als du hineingegangen bist.

 

Wenn ich zum Beispiel die Entscheidung treffe, dem Gebet eine halbe Stunde mehr zu widmen, und dann merke, dass ich die anderen Augenblicke des Tages besser lebe, ruhiger, nicht so ängstlich bin, die Arbeit sorgfältiger und mit mehr Freude mache, dass auch die Beziehungen zu einigen schwierigen Menschen einfacher werden… All das sind wichtige Zeichen, die dafür sprechen, dass die getroffene Entscheidung richtig war. Das geistliche Leben ist ein Kreislauf: Eine richtige Entscheidung kommt allen Bereichen unseres Lebens zugute. Denn sie ist Teilhabe an Gottes Schöpfergeist.

 

Wir können einige wichtige Aspekte erkennen, die dazu beitragen, die Zeit nach der Entscheidung als mögliche Bestätigung ihrer Richtigkeit zu verstehen, denn die Zeit danach bestätigt die Richtigkeit der Entscheidung. Diesen wichtigen Aspekten sind wir im Laufe dieser Katechesen in irgendeiner Form schon begegnet, aber jetzt finden sie eine weitere Anwendung.

 

Ein erster Aspekt ist, ob man die Entscheidung als mögliches Zeichen der Antwort auf die Liebe und Großherzigkeit betrachtet, die der Herr mir gegenüber hat. Sie entsteht nicht aus Angst, sie entsteht nicht aus emotionaler Erpressung oder aus einem Zwang, sondern sie entsteht aus der Dankbarkeit für das empfangene Wohl, die das Herz drängt, die Beziehung zum Herrn mit Freigebigkeit zu leben.

 

Ein weiteres wichtiges Element ist es, sich im Leben am richtigen Platz zu fühlen – jene innere Ruhe: »Ich bin an meinem Platz« –, und sich als Teil eines größeren Plans zu fühlen, zu dem man seinen Beitrag leisten möchte. Auf dem Petersplatz gibt es genau zwei Punkte – die Ellipsenbrennpunkte –, von denen aus man Berninis Säulen perfekt in einer Reihe sieht. Auf ähnliche Weise kann der Mensch erkennen, das gefunden zu haben, was er sucht, wenn sein Tageslauf geordneter wird, wenn er merkt, dass seine zahlreichen Interessen einander immer mehr ergänzen, dass er richtige Prioritäten setzt und alles mit Leichtigkeit leben und sich den Schwierigkeiten, denen er gegenübersteht, mit erneuerter Energie und Geistesstärke stellen kann. Das sind Anzeichen, dass du eine gute Entscheidung getroffen hast.

 

Ein weiteres gutes Zeichen zur Bestätigung ist zum Beispiel, wenn man sich gegenüber seiner Entscheidung die Freiheit bewahrt, sie wieder in Frage zu stellen, auch auf sie zu verzichten angesichts möglicher Anfechtungen und zu versuchen, in diesen eine mögliche Lehre des Herrn zu finden. Und zwar nicht, weil er uns all dessen berauben möchte, was uns lieb ist, sondern um es in Freiheit zu leben, ohne unser Herz daran zu hängen. Nur Gott weiß, was wirklich gut ist für uns. Possessives Verhalten ist der Feind des Guten und tötet die Liebe, gebt darauf acht, possessives Verhalten ist der Feind des Guten, es tötet die Liebe: Die vielen Fälle häuslicher Gewalt, von denen wir leider oft hören, entstehen fast immer aus dem Anspruch heraus, die Liebe des anderen zu besitzen, aus der Suche nach einer absoluten Sicherheit, die die Freiheit tötet und das Leben erstickt und zur Hölle macht.

 

Wir können nur in Freiheit lieben, daher hat uns der Herr als freie Wesen erschaffen, auch in der Freiheit, ihm gegenüber Nein zu sagen. Ihm das zu schenken, was uns das Liebste ist, liegt in unserem Interesse, es lässt uns auf bestmögliche Weise und in der Wahrheit leben, als ein Geschenk, das er uns gemacht hat, als Zeichen seiner unentgeltlichen Güte, im Wissen, dass unser Leben, ebenso wie die ganze Geschichte, in seinen gütigen Händen liegt. Es ist das, was in der Bibel als »Furcht des Herrn« bezeichnet wird, also Ehrfurcht vor Gott – nicht, dass Gott mich erschrecken soll, nein, sondern der Respekt als unabdingliche Voraussetzung, um das Geschenk der Weisheit anzunehmen (vgl. Sir  1,1-18). Es ist die Furcht, die jede andere Furcht vertreibt, weil sie auf jenen ausgerichtet ist, der der Herr aller Dinge ist. Ihm gegen-über kann nichts uns beunruhigen. Es ist die Erfahrung des heiligen Paulus, der staunend sagte: »Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluss leben. In jedes und alles bin ich eingeweiht: in Sattsein und Hungern, Überfluss und Entbehrung. Alles vermag ich durch den, der mich stärkt« (Phil  4,12-13). Das ist der freie Mensch, der den Herrn sowohl dann preist, wenn etwas Gutes kommt, als auch dann, wenn etwas kommt, was nicht so gut ist: Er sei gepriesen, gehen wir voran!

 

Das zu erkennen ist grundlegend für eine gute Entscheidung, und es beruhigt uns hinsichtlich dessen, was wir nicht kontrollieren oder voraussehen können: Gesundheit, Zukunft, geliebte Menschen, unsere Pläne. Was zählt, ist, dass unser Vertrauen auf den Herrn des Universums gesetzt ist, der uns unermesslich liebt und weiß, dass wir mit ihm etwas Wunderbares, etwas Ewiges aufbauen können. Die Lebensbeschreibungen der Heiligen zeigen es uns in schönster Weise. Gehen wir voran und versuchen wir, so Entscheidungen zu treffen, im Gebet und indem wir hören, was in unserem Herzen vorgeht, und langsam vorangehen, nur Mut!

 

(Quelle: www.vatican.va)